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ForschungsDienst Fahrrad


FDF 333 - 03.06.99

Ingo Kalliske u.a.: Sicherheit des Transportes von Kindern auf Fahrrädern und Fahrradanhängern

Ein Vergleich fällt schwer

Wichtigstes Ergebnis:

Tendenziell ist der Transport von Kindern im Fahrradanhänger als weniger gefährlich zu bewerten, als der mit Fahrradkindersitzen. Doch beides hat Vor- und Nachteile.

Zum Inhalt

In Absprache mit Herstellern und Vertreibern hat die Bundesanstalt für Straßenwesen verschiedene Untersuchungen durchgeführt, um zu klären, ob der Transport von Kindern im Fahrradanhänger sicherer ist als auf dem Fahrrad mit Kindersitz. Es handelte sich im einzelnen um Anprallversuche (Anfahrversuche), Rollwagenversuche, Kopffreiheitsversuche und Fallversuche.

Die Anfahrversuche mit einem Pkw gegen ein Gespann aus Fahrrad und Anhänger wurden mit 30km/h durchgeführt. Die Autoren gingen von einem innerörtlichen Unfall aus und unterstellten, dass Pkw-Fahrer das Gespann aufgrund dessen guter Sichtbarkeit frühzeitig erkennen und bis zum Anprall schon auf 30km/h herabgebremst haben. Es waren direkte Anstöße der Anhängerinsassen an die Pkw-Front zu erkennen. Die Beschleunigungswerte waren dabei relativ hoch. Auch Anstöße gegen Anhänger-Innenteile waren bei fast allen Versuchen zu beobachten. Teilweise wurden Radaufhängungen und Radnaben beschädigt. Die Rollwagenversuche zeigten konstruktive Schwächen bei den Sitzen und Rückhaltesystemen auf. Nähte, Befestigungen und Verstellösen wurden zerstört. Es stellte sich heraus, dass die Qualität des Gurtsystems, die Steifigkeit des Anhängeraufbaus, die Sitzposition der Kinder und die vorhandene Kopffreiheit ausschlaggebend für das Verletzungsrisiko der Insassen sind.

Die Fahrrad-Anhänger-Gespanne wurden auch mit 20km/h gegen ein einseitiges ortsfestes Hindernis (Blumenkübel) gefahren. Denn immer wieder wurde von Unfällen berichtet, bei denen der Kinderanhänger an einem Hindernis hängen blieb. Die Autoren haben bei ihren Versuchen (nur) herausgefunden, dass das Bewegungsverhalten des Anhängers bei einem solchen Anprall sehr komplex ist. Es überlagern sich Bewegungskomponenten in verschiedene Richtungen (Verzögerung in Anhängerlängsrichtung, Beschleunigung in Anhängerquerrichtung, Rotation um die Anhängerhoch- und Anhängerlängsachse sowie eine mögliche vertikale Bewegung, wobei der Anhänger von der Fahrbahn abheben kann).

Die Anhänger wurden auch mitsamt Insassen um 180° um die Längsachse gedreht. Aus den Versuchsergebnissen lässt sich die Forderung ableiten, dass eine Kopffreiheit von 10cm für die Insassen des Kinderanhängers in Fahrposition wünschenswert ist, um Verletzungen beim Umsturz zu mindern. Da diese Forderung entscheidenden Einfluss auf die Konstruktion und Handhabung hat (z.B. Schwerpunktlage, Luftwiderstand), ist sie jedoch relativ praxisfern.

Wichtig und umsetzbar ist jedoch mindestens, dass die behelmten Köpfe der Insassen beim Drehen nicht in vertikaler Richtung aus dem Anhängeraufbau herausragen. Feste 5-Punkt-Gurte hielten die Dummies am besten in ihrer Position. Die Bewegungsmöglichkeiten in anderen Gurtsystemen wurde jedoch nicht als negativ angesehen, weil Insassen eine gewisse Bewegungsmöglichkeit benötigen, um sich wohl zu fühlen, was wiederum für die Akzeptanz des Rückhaltesystems und dessen ständigen Gebrauch sehr nützlich sei. Zu empfehlen seien die Anbindung der Gurte am Chassis, verstärkte Nähte, Ösen und Gurtschlösser und eine Gurtbreite von mindestens 25mm.

Auch bei den Versuchen mit Fahrradsitzen ergaben sich hohe Beschleunigungswerte - durch den direkten Aufprall des Radfahrers auf die Fahrzeugfront und/oder durch den direkten und harten Aufprall auf die Fahrbahn. Insbesondere wurden die Grenzwerte für Kopfbeschleunigungen überschritten. Das Gewicht des Radfahrers, des Fahrrades und auch Fahrradteile bergen ein erhöhtes Risiko für das Kind. Beschädigte Kindersitze wiesen scharfkantige Brüche mit hohem Verletzungsrisiko auf. Zusätzlich besteht die Gefahr, überfahren zu werden, wenn das Kind nach dem Sturz des Fahrrades ungeschützt auf der Fahrbahn liegt.

In der Studie wurden Prüfmethoden für Anhänger erarbeitet, die Herstellern ermöglichen, die passive Sicherheit ihrer Produkte umfassend zu untersuchen. Sie betreffen insbesondere eine Pendelschlagprüfung für die gesamte Chassisstruktur, eine Kopffreiheitsprüfung, eine Belastungsprüfung der Aufbaustruktur und eine Festigkeitsprüfung der Gurtsysteme.

Untersuchung

Ingo Kalliske, Bundesanstalt für Straßenwesen, Dieter Wobben und Manuela Nee, RWTÜV Fahrzeug GmbH: Sicherheit des Transportes von Kindern auf Fahrrädern und in Fahrradanhängern, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Fahrzeugtechnik Heft F 25, September 1998, ISSN 0943-9315, ISBN 3-89701-210-3, 37 Seiten, 22,50 DM

Bezug

Wirtschaftsverlag NW Verlag für neue Wissenschaft GmbH, Postfach 101110, 27511 Bremerhaven, Telefon 0471 / 94544-0, Telefax 0471 / 94544-77


Der Forschungsdienst Fahrrad des ADFC berichtete bis 1999 14-tägig über Verkehrswissenschaft und Fahrradpolitik. Vielen Dank an die Herausgeber Tilman Bracher und Mattias Doffing und an Elmar Steinbach, der die FDFs ins Internet gebracht hat.

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