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ForschungsDienst Fahrrad


FDF 331 - März 99

Martin Cames, Frank Ebinger U.A.: Neue Arbeitsplätze durch umweltverträglichen Verkehr

Pkw-Sektor wird erheblich überschätzt Weitere Dienstleistungsarbeitsplätze im ÖPNV möglich

Wichtigstes Ergebnis

Eine neue verkehrspolitische Orientierung, die das Radfahren, Zufußgehen, Bahn und Bus stärker einbezieht, kann sowohl die Umwelt entlasten als auch zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Nach einem für das Jahr 2010 berechneten Szenario würde die "Verkehrswende" 207.000 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Gewinner dieser Veränderung wären die Dienstleistungen der Eisenbahn und des sonstigen Verkehrs. Verlierer dagegen wäre der Straßenfahrzeugbau.

Zum Inhalt

Ziel der vom Öko-Institut in Zusammenarbeit mit dem Verkehrsclub Deutschland (VCD) erarbeiteten Studie, die aus Spenden der Mitglieder beider Organisationen finanziert wurde, war eine Überprüfung der von der Autolobby vertretenen These, jeder 7. Arbeitsplatz in Deutschland hänge vom Auto ab. Dazu wurde in zwei Szenariorechnungen abgeschätzt, wie sich die Verkehrsentwicklung im Jahr 2010 gegenüber 1997 verändern könnte.

In einem "Trend"-Szenario, das auf Berechnungsergebnissen des DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) basiert, wird unterstellt, daß das Strassennetz weiter ausgebaut wird, und die Kosten für die Pkw-Nutzung nicht wesentlich steigen. Bei der Bahn bleibt es beim gegenwärtigen Angebot. Diese Annahmen lassen erwarten, daß sich die Verkehrsmittelwahl nur wenig verändert (vgl. Anlage 1 und 2). Das Auto wird noch etwas häufiger aus der Garage geholt als bisher, und bei den Verkehrsleistungen ist mit erheblichen Zuwächsen zu rechnen. Der Anteil der Fußgänger geht leicht zurück, und Bahn, ÖPNV und Fahrrad können ihren Anteil etwa halten. Erhebliche Zuwächse der Verkehrsleistungen (+30 %) gibt es auch beim Flugverkehr.

Das Alternativszenario (genannt MOVE) dagegen beruht auf der Grundannahme, daß sich die Mobilität der Bevölkerung zwar ähnlich entwickelt, jedoch sparsamere Neuwagen angeschafft werden und Fuß- und Radverkehr sowie Busse und Bahnen deutlich aufholen. Dies wird erreicht, weil Menschen die Nähe wiederentdecken und für kurze Wege vermehrt zu Fuß gehen oder das Fahrrad benutzen. Die pro Kopf mit dem Fahrrad zurückgelegte Strecke soll sich von 290 km auf über 600 km pro Jahr mehr als verdoppeln (zum Vergleich: Jeder Niederländer legt bereits heute im Durchschnitt 850 km im Jahr mit dem Fahrrad zurück).

Die Beschäftigungswirkung einer solchen Politik wird zu einer Umstrukturierung auf dem Arbeitsmarkt führen. Insgesamt bleibt ein Nettogewinn von 207.000 Arbeitsplätzen (vgl. Anlage 3). Gewinnen von 337.000 Arbeitsplätzen im Bereich der Dienstleistungen der Eisenbahn, Dienstleistungen des sonstigen Verkehrs und sonstigen Dienstleistungen stehen Verluste von 130.000 Arbeitsplätzen vor allem im Bereich der Straßenfahrzeuge und beim Groß- und Einzelhandel gegenüber. Die ökologischen Vorteile würden im Bereich der Geräuschpegel durch die Abnahme des motorisierten Verkehrs, verringerte Geschwindigkeiten und verbesserten Lärmschutz deutlich, sowie durch die eingesparten Parkplätze (125 km2 pro Jahr).

Um ein solches Szenario zu erreichen, werden fünf Schritte vorgeschlagen, die fünf "INs":

Schritt 1 - die Internalisierung der externen Kosten des Verkehrs durch Mehrbelastung des Flugverkehrs und der Autofahrer sowie durch eine steuerliche Entlastung von Radfahrern.

Schritt 2 - durch Investitionen für Bahnfahrer, ÖPNV-Nutzer, Fußgänger und Radfahrer.

Schritt 3 - sind Innovationen, vor allem für die Technologieentwicklung beim Pkw (Dreiliterauto), beim Schienenverkehr und ÖPNV. Dazu kommen neue Dienstleistungsangebote zur Verkehrsvermeidung und eine Stadtplanung, die dafür sorgt, daß Wohnen, Arbeiten und die Freizeitgestaltung wieder enger zusammenrücken.

Schritt 4 - ist die Integration der umweltfreundlichen Verkehrsmittel (Bahn, ÖPNV, Fahrradverkehr und Fußverkehr) sowie die Entwicklung des Car-Sharings. Auf den Straßen bedeutet das, daß niedrigere Geschwindigkeiten gefahren werden.

Schritt 5 - Information setzt darauf, daß nicht nur die Automobilindustrie Jahr für Jahr Milliarden DM in Werbung investieren kann. Im öffentlich Raum sollen Mobilitätsberatungen und umfassende ÖPNV-Informationen von Verkehrsbetrieben und kommunale Verwaltungsstellen angeboten werden, z.B. durch Telematik-Dienstleistungen.

Bericht

Martin Cames, Frank Ebinger, Anke Herold, Uwe Ilgemann und Willi Lose und Arne Lüers (Öko-Institut e.V.): Neue Arbeitsplätze durch umweltverträglichen Verkehr. Hrsg. Öko-Institut e.V. und VCD Verkehrs-Club Deutschland e.V., Freiburg 1998.

Bezug

Öko-Institut e.V., Postfach 6226, 79038 Freiburg, Fax: 0761 / 475437, http://www.oeko.de. ISBN 3-928433-81-4. DM 40.


Der Forschungsdienst Fahrrad des ADFC berichtete bis 1999 14-tägig über Verkehrswissenschaft und Fahrradpolitik. Vielen Dank an die Herausgeber Tilman Bracher und Mattias Doffing und an Elmar Steinbach, der die FDFs ins Internet gebracht hat.

Seit Mitte 1999 ist der Forschungsdienst Fahrrad eingestellt. Er wurde durch den Bicycle Research Report ersetzt, der beim ECF (www.ecf.com) abonniert werden kann. werden kann. European Cyclists' Federation ECF - Rue de Londres 15 (b. 3) - B-1050 Brussels - Phone: +32-2-512 98 27 - Fax: +32-2-511 52 24, e-mail: office@ecf.com


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