ADFC FDF-Archiv

ForschungsDienst Fahrrad


FDF 316 - 10.7.1998

Rainer Schneewolf: Bewertung von Fahrradabstellhilfen und Grundsätze zur Planung

Nur Anlehnbügel sind als Fahrradstellhilfe wirklich empfehlenswert

Wichtigstes Ergebnis

Von den drei Grundtypen von Fahrradstellhilfen ist der Anlehnbügel der bei weitem tauglichste. Das Fahrrad steht sicher, auch wenn es nach Art, Größe oder Zubehör nicht Standard ist, es wird durch das Abstellen nur minimal und an der Stelle belastet, die der Radfahrer bestimmt und es läßt sich sehr gut anschließen. Die Bedienbarkeit ist für den Radfahrer beim Anlehnbügel die einfachste. Zudem benötigt ein Stellplatz mit Anlehnbügel deutlich weniger Platz als ein solcher mit Vorderrad- oder Gabelhalter.

Zum Inhalt

Der Autor widmet sich den drei Grundformen der Fahrradstellhilfen: Vorderradhalter, Gabelhalter und Anlehnbügel (Abb. 1). Die verschiedenen Varianten untersucht er in erster Linie auf Standsicherheit des abgestellten Rades, Anschließbarkeit, ausreichenden Seitenabstand und den Flächenverbrauch.

Alle Vorderradhalter halten das Rad dort, wo es am labilsten ist und sich in alle Richtungen bewegen kann. Sie sind von daher sämtlich mit nicht behebbaren Grundproblemen behaftet. Sie genügen keiner der drei zentralen konstruktiven Anforderungen an eine Stellhilfe. Sie sollten nicht mehr installiert und bei Altanlagen durch funktionalere Stellhilfen ersetzt werden.

Der senkrechte Vorderradhalter leiste keine genügende Standsicherheit des Rades. Eines der Grundprobleme dieser Stellhilfen liege darin, daß Reifen unterschiedlicher Stärke darin Platz finden müssen und damit die Klemmtiefe variiert. Räder mit schmalen Reifen stünden auch schräg in solchen Haltern. Eine Anschließbarkeit ist nur für das Vorderrad gewährleistet. Der Seitenabstand bei Reihenanlagen sei durch Vorgaben der Hersteller zumeist so gering, daß sie nur schwer bedienbar sind, die Räder miteinander verhaken und das Anschließen mühsam ist. Es sei ein Mindestabstand von 80 cm erforderlich, um diese Stellhilfen sicher nutzen zu können. Der Autor zeigt auf, daß sich der Flächenbedarf einer solchen Anlage kaum durch Schrägstellung oder durch Vorderradüberlappung vermindern läßt. Beide Arten kosten fast so viel Bewegungsfläche, wie sie Stellfläche sparen.

Der waagerechte Vorderradhalter strapaziert das Vorderrad des Rades noch mehr, weil der Haltepunkt noch tiefer unter dem Schwerpunkt des Rades liegt. Die Anschließbarkeit ist nur sehr eingeschränkt gewährleistet. Der Seitenabstand bei Reihenanlagen sei regelmäßig völlig unzureichend. Hersteller und Auftraggeber seien bei solchen Anlagen oft der Auffassung, durch höhenversetzte Anordnung mit geringeren Seitenabständen als bei rein ebenerdiger Aufstellung auszukommen. Der Autor widerlegt diesen Irrglauben: Erstens sei nicht allein die Lenkerbreite für den erforderlichen Seitenabstand maßgeblich, sondern auch die der Pedale, eines Gepäckkorbes und eines Kindersitzes. Zweitens sei auch der allein für den Lenker erforderliche Höhenversatz mit 28-46cm wesentlich größer, als die tatsächlich gebauten Höhenversätze. Hinzu komme gegenüber dem ebenerdigen Abstellen die Mühe des Hochhebens, die mit Kind oder Gepäck vorne unzumutbar sei. Der Flächenverbrauch ist mit dem des senkrechten Vorderradhalters identisch. Der diagonale Vorderradhalter verbindet die Funktionen der senkrechten und waagerechten Vorderradhalter hinsichtlich der Standsicherheit.

Ansonsten gilt jeweils analog das zu senkrechten und waagerechten Vorderradhaltern gesagte.

Gabelhalter sind alle Stellhilfen, bei denen das Fahrrad mit der Vorderradgabel an die Stellhilfe anzulehnen oder einzuklemmen ist. Der traditionelle Gabelhalter (typisch: Gewerbeständer) ist von modernen Formen zu unterscheiden. Je nach Ausführung sind sie bedingt tauglich.

Der traditionelle Gabelhalter bietet nur wenig mehr Standsicherheit als Vorderradhalter. Erkauft wird sie mit Beschädigungsgefahr für Lack, Bremsen, Dynamo, Kabel etc. und mit einer Unbrauchbarkeit für Räder mit Kindersitz oder Einkaufskorb vorne oder Low-Ridern. Der Rahmen des Rades ist nicht an den Ständer anschließbar, wenn man das Rad nicht bestimmungswidrig an der Seite anlehnt. Der Seitenabstand sei selbst dann indiskutabel, wenn nur jeder zweite Stellplatz genutzt wird. Als Reihenanlage hat der traditionelle Gabelhalter im günstigsten Falle den Flächenverbrauch eines Vorderradhalters mit Vorderradüberlappung. Die modernen Gabelhalter unterscheiden sich von den traditionellen im wesentlichen durch drei Punkte: das Vorderrad hat mehr Spielraum, die Lenkachse wird fixiert und bei Reihenanlagen ist der Seitenabstand beträchtlich größer. Die Standsicherheit ist wesentlich größer als bei Vorderradhaltern und den traditionellen Gabelhaltern. Die Beschädigungsgefahren und Nutzungsgrenzen gleichen jedoch denen des traditionellen Gabelhalters. Rahmen und Vorderrad sind mit einem normalen Schloß anschließbar. Beim Seitenabstand zeigen diese Stellhilfen jedoch dieselben Probleme wie die Vorderradhalter: die von den Herstellern angebotenen Seitenabstände seien regelmäßig viel zu gering. Auch die immer noch angebotenen Hoch-Tiefstellungen mit verringertem Seitenabstand bringen die verschärfte Problematik mit sich, wie diejenigen der Vorderradhalter. Der Flächenverbrauch entspricht dem der Vorderradhalter.

Auch Anlehnbügel gibt es in verschiedenen Varianten. Der Standardbügel erfüllt die meisten konstruktiven Voraussetzungen für eine sichere und bequeme Nutzung. Der Standard-Anlehnbügel verschafft die größte Standsicherheit. Die Anlehnstelle liegt auch bei beladenem Rad über dem Schwerpunkt des Rades. Räder, Felgen und Speichen werden nicht belastet. Abweichungen von der Standardform (durch Verkürzung, geringe Höhe, Weglassen des Knieholms) mindern tendenziell die Standsicherheit. Die Anschließbarkeit ist gewährleistet. Da der Seitenabstand bei Reihenanlagen nicht vom Hersteller vorgegeben ist, ist der Aufsteller frei in der Wahl des Abstandes der Bügel voneinander. Erforderlich sind unter Berücksichtigung der Fahrradbreiten und des Bewegungsraumes für den Nutzer 130cm. Die Zugänglichkeit wird bei geringerem Abstand reduziert, weswegen die 130cm nicht unterschritten werden sollten. Der Flächenverbrauch liegt damit immer noch deutlich unter dem der Vorderrad- und Gabelhalter (Tab. 9). Mit Anlehnbügeln braucht der Aufsteller nur 85% der Fläche pro Stellplatz. Umgekehrt kann er auf der selben Fläche 18% mehr Fahrräder unterbringen. Erst bei einem außerordentlich komfortablen Seitenabstand von 155cm zwischen den Bügeln wäre der Flächenverbrauch pro Stellplatz bei Bügeln und Haltern gleich groß.

Der Autor bezieht kurz auch noch weitere Typen von Stellhilfen ein. Sie alle bringen einen höheren Flächenbedarf mit sich, sind für viele Räder nicht nutzbar, bringen Stolpergefahren oder erhöhten Reinigungsaufwand mit sich oder sind ohne Anleitung nicht ordnungsgemäß nutzbar. In diesem Zusammenhang kritisiert der Autor auch die Vergabe des ADFC-Prüfsiegels. Die Kriterien seien nicht streng genug. Empfohlen würden danach auch noch Produkte, die zur übermäßigen Belastungen des Rades oder seines Zubehörs führten, von vielen Radtypen nicht benutzt werden könnten oder die dem Nutzer erklärt werden müssten, um diesem das ordnungsgemäße Abstellen zu ermöglichen.

Untersuchung

Bewertung von Fahrradabstellhilfen und Grundsätze zur Planung, Kapitel 5.3.3.1 im Handbuch der kommunalen Verkehrsplanung, 20. Ergänzungs-Lieferung, 3/98, S. 1-31

Anschrift

Rainer Schneewolf, KommunalData, Czeminskistraße 5, 10829 Berlin, Tel: 030/787759-10


Der Forschungsdienst Fahrrad des ADFC berichtete bis 1999 14-tägig über Verkehrswissenschaft und Fahrradpolitik. Vielen Dank an die Herausgeber Tilman Bracher und Mattias Doffing und an Elmar Steinbach, der die FDFs ins Internet gebracht hat.

Seit Mitte 1999 ist der Forschungsdienst Fahrrad eingestellt. Er wurde durch den Bicycle Research Report ersetzt, der beim ECF (www.ecf.com) abonniert werden kann. werden kann. European Cyclists' Federation ECF - Rue de Londres 15 (b. 3) - B-1050 Brussels - Phone: +32-2-512 98 27 - Fax: +32-2-511 52 24, e-mail: office@ecf.com


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