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ForschungsDienst Fahrrad


FDF 309 - 3.4.98

Ketzner, Bernd: Fahrradstreifen - ein Beitrag zur Erhöhung polizeilicher Präsenz?!

"Polizei rauf aufs Rad" bringt Vorteile für alle

Wichtigstes Ergebnis

Polizei-Streifendienst mit Fahrrädern hat ganz erhebliche Vorteile gegenüber anderen Formen des Streifendienstes. Präventive, repressive und auch gemischte Konzepte für Fahrradstreifen haben sich in verschiedenen Städten sehr gut bewährt. Verschiedene Kriminalitätsformen konnten damit stark zurückgedrängt werden. Die Akzeptanz der Streifen und ihr Bürgerkontakt ist wesentlich höher als bei motorisierten Streifen, die öffentlichen Haushalte werden durch Radstreifen entlastet und das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung steigt.

Zum Inhalt

Der Tagungsband gibt die Referate einer Fortbildungsveranstaltung der Verwaltungsfachhochschule Altenholz, Fachbereich Polizei, zum Thema "Fahrradstreifen - ein Beitrag zur Erhöhung polizeilicher Präsenz?!" wieder.

Schon in der Einführung in die Thematik durch den Fachleiter Einsatzwissenschaften der VFH werden einige evidente Vorteile von Fahrradstreifen herausgestrichen. Der Streifenbeamte auf dem Fahrrad erreicht in Städten oftmals seinen Einsatzort schneller als mit dem Auto. Die Fahrradstreifen werden von der Bevölkerung als Verbesserung der Bürgernähe erlebt, die sichtbare polizeiliche Präsenz stärkt das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung. Die enge Haushaltslage legt Radstreifen nahe: kostet ein komplett ausgerüsteter Streifenwagen ca. 40.000,00 DM, so kostet ein Fahrrad nur ca. 2.500,00 DM. Auch die Folgekosten sind erheblich niedriger.

Mit den Leitlinien der Landespolizei Schleswig-Holstein zur Förderung polizeilicher Fahrradstreifen befaßt sich ein Beitrag des Landespolizeidirektors. Nach den einsatztaktischen Überlegungen ist von der Bandbreite polizeilicher Aufgaben, der Ermittlungstätigkeit und der präventiven Polizeiarbeit nichts ausgenommen. Für manche Tätigkeiten, die Funkstreifenwagenbesatzungen nur bedingt möglich sind, ergeben sich für Fahrradstreifen sogar optimale Ansätze. Dazu gehören u.a. Einsätze gegen rücksichtslose Radfahrer und Einsätze in Parks und Freizeitanlagen. Insbesondere böten sich Einsatzanlässe an, die im täglichen Dienst von einer Beamtin bzw. einem Beamten solo erledigt werden.

Aus Köln berichtet ein Polizeihauptkommissar über die dort gemachten Erfahrungen. Die Idee, Fahrräder im Polizeidienst einzusetzen sei zwar historisch nicht neu, mit der allgemeinen Motorisierung gegen Ende der 50er Jahre sei die Polizei jedoch prinzipiell von der Fahrradstreife abgekehrt. Demgegenüber hat sich in Köln seit den 70er Jahren der Bedarf, Fuß- und Radstreifen weiterzuentwickeln und auszubreiten, enorm verstärkt, weil sich andere Schwerpunktbildungen in der polizeilichen Arbeit und den Einsatz- und Kriminalitätslagebildern ergaben. In Köln wird von einer gleichen Gewichtung repressiver und präventiver polizeilicher Arbeit ausgegangen. Der motorisierte Streifenverkehr werde unter diesen Gesichtspunkten den Ansprüchen an die polizeiliche Arbeit nicht ausreichend gerecht, es fehle an Effektivität: Er sei unwirtschaftlich, es fehle an ausreichenden eigenen optischen und akustischen Wahrnehmungsmöglichkeiten und an körperlicher Kondition, Konzentrationsfähigkeit und Reaktionsfähigkeit bei motorisierten Streifenbeamten. Zu den Einsatz- und Verwendungszielen der Fahrradstreifen gehören: Wahrnehmung von Einsätzen aller Art, Bekämpfung der Straßenkriminalität, Einsätze gegen rücksichtslose Falschparker und zugunsten der "sozialen Sicherheit" auf den Radwegen, Prävention und Bürgernähe durch Ansprechbarkeit. Für die Einsatztaktik komme dem Überraschungseffekt große Bedeutung zu. Durch die nahezu geräuschlose Anfahrt und dem unkalkulierbaren und plötzlichen Auftreten der Polizeikräfte können Täter frühzeitig erkannt und festgenommen werden. Insbesondere in der offenen Drogenszene sei daher keine Polizeieinheit so gefürchtet wie der Radstreifendienst. Die gewünschten anlaßunabhängigen Kontakte zu Bürgern hätten sich deutlich verstärkt, schon weil sie aus dem "Käfig" Funkstreifenwagen heraus kaum möglich seien. Auch bei den immer wichtiger werdenden Kontakten zu Jugendlichen und Randgruppen seien die Räder begehrtes und wertvolles Medium.

Die Fahrradstreifen wurden in Köln mittlerweile flächendeckend ausgebaut. Die Resonanz bei den Beamten und bei der Bevölkerung war sehr positiv. Angestrebt wird, daß die Einsatzform von den Beamten nicht nur als gleichberechtigt, sondern sogar als eine Art "Privileg" begriffen wird. Dargestellt werden auch Einzelheiten der nötigen Ausstattung (Räder und Kleidung). Statt des in Köln umgesetzten Einsatzkonzeptes könnte auch ein rein präventives Fahrradstreifen-Programm entwickelt werden. Erfahrungen aus Baden-Württemberg zeigten, daß dergleichen ebenso erfolgreich verläuft, wie eine gemischte Konzeption.

Aus Nienburg/Weser berichtet ein Erster Polizeihauptkommissar von den dortigen Erfahrungen mit einem Pilotprojekt über Vorgeschichte, Projektentwicklung, Einsatzform und -taktik u.a. Auch hier führte das lautlose, sehr bewegliche und sehr überraschende Einsatzmittel zu guten Erfolgen bei der Kriminalitätsbekämpfung. Vorrangig werden die Räder in Wohngebieten, Innenstadtbereichen, Naherholungsgebieten und in der Nähe von Schulen, Spielplätzen, Badeseen, Kleingartenkolonien, sozialen Brennpunkten und auf Großparkplätzen eingesetzt. An außerhalb gelegene Brennpunkte wurden die Radstreifen mit einem VW-Bus als sogenannte Absetzstreifen transportiert.

Die Fahrradstreifen stießen auch in Nienburg sowohl bei den Beamten als auch bei Bürgern und in der Öffentlichkeit auf hohe Akzeptanz. Gute Erfahrungen hat man auch mit der Überwachung des Radwegenetzes gemacht; zur Radwegeführung gab es von den Radstreifen viele Hinweise und Anregungen. Nicht zuletzt hat man mehrere Festnahmen verzeichnet, bei denen die Täter aufgrund der Größe und Schwerfälligkeit von Funkstreifenwagen eine bessere Chance zur Flucht gehabt hätten.

Untersuchung: Ketzner, Bernd: Fahrradstreifen - ein Beitrag zur Erhöhung polizeilicher Präsenz?! Schriften für Studium und Praxis, Veröffentlichungen der Verwaltungsfachhochschule Band 21, 75 Seiten, ISSN 0949-8435

Anschrift

Verwaltungsfachhochschule Altenholz, Rehmkamp 10, 24161 Altenholz, Tel 0431/3209-0, FAX 0431/328044


Der Forschungsdienst Fahrrad des ADFC berichtete bis 1999 14-tägig über Verkehrswissenschaft und Fahrradpolitik. Vielen Dank an die Herausgeber Tilman Bracher und Mattias Doffing und an Elmar Steinbach, der die FDFs ins Internet gebracht hat.

Seit Mitte 1999 ist der Forschungsdienst Fahrrad eingestellt. Er wurde durch den Bicycle Research Report ersetzt, der beim ECF (www.ecf.com) abonniert werden kann. werden kann. European Cyclists' Federation ECF - Rue de Londres 15 (b. 3) - B-1050 Brussels - Phone: +32-2-512 98 27 - Fax: +32-2-511 52 24, e-mail: office@ecf.com


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