ADFC FDF-Archiv

ForschungsDienst Fahrrad


FDF 298 - 5.9.97

HARTMUT GYUKITS:

VERKEHRLICHE, WIRTSCHAFTLICHE UND PLANERISCHE ASPEKTE

DES BIKE+RIDE-VERKEHRS IM VERKEHRSVERBUND RHEIN-RUHR


Das Fahrrad als Ersatz für öffentliche Zubringerverkehrsmittel

Wichtigstes Ergebnis
In polyzentrisch geprägten Verkehrsräumen haben öffentliche Linienverkehrsmittel einen schweren Stand, da die Zahl der möglichen Anschluß- und Umsteigebeziehungen enorm hoch ist und sich Fahrpläne schlecht optimieren lassen. Deshalb setzt der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) auf das Fahrrad als "lückebezogenes Zubringerverkehrsmittel" zum Schienenpersonennahverkehr.

Zum Inhalt

In polyzentrisch geprägten Verkehrsräumen lassen sich passende Fahrplanverknüpfungen zwischen den öffentlichen Zu- und Abbringern und dem Schienenpersonennahverkehr (SPNV) vergleichsweise schwerer herstellen als in monozentrischen Räumen (vgl.Abb.1). Da sich die Nachfrage systembedingt stärker in der Fläche verteilt, fehlt dort in der Regel die erforderliche Nachfragekonzentration. Nur wenn die einzelnen Zubringerlinien in einem dichten Takt von mindestens fünf oder zehn Minuten verkehren, bestehen immer passende Anschlüsse und entfällt der Bedarf gezielter Fahrplanverknüpfungen. Das Potential der Fahrgäste im Einzugsbereich von SPNV-Haltestellen läßt sich in polyzentrischen Räumen deshalb durch öffentliche Zubringerverkehrsmittel nur mit einem sehr hohen Aufwand erschließen.

Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) verfügt über Untersuchungsergebnisse, nach denen sich B+R- und P+R-Fahrgäste für den individuellen Zugang zum SPNV entscheiden, wenn das Angebotsniveau der die öffentlichen Zubringerverkehre nicht mehr akzeptiert wird. Dies ist der Fall, wenn die Zugangszeit der öffentlichen die der individuellen Zubringer um mehr als 10 bis 15 Minuten übersteigt. Die Fahrgäste kompensieren dann offentsichtliche Angebotsmängel der öffentlichen Zubringer durch Bike+Ride und Park+Ride.

Der VRR geht in seinem lückenbezogenen Zubringer-Modell davon aus, daß sich Fahrgäste in aller Regel für das Fahrrad entscheiden, wenn sie dadurch im Mittel 40 Minuten am Tag gegenüber dem öffentlichen Zubringerverkehr sparen, wenn die Fahrzeit mit dem Fahrrad zum Bahnhof kürzer ist als die durchschnittlichen Umsteigezeiten der öffentlichen Zubringer, und wenn der Anteil der Umsteigezeiten an der gesamten öffentlichen Zubringer- bzw. Abbringerzeit im Mittel 50 % erreicht.

Nur ein Viertel des vom VRR für den SPNV erwarteten Nachfragepotentials läßt sich mit öffentlichen Zubringerverkehrsmitteln erschließen, drei Viertel dagegen mit Bike+Ride und Park+Ride. Der VRR plant deshalb in seinem Nahverkehrsplan u.a. eine Verdreifachung des derzeitigen B+R-Angebots von heute 12.000 auf künftig etwa 42.000 B+R-Stellplätze, darunter zahlreiche Fahrradboxen.

Mit dem B+R-Verkehr ist auch eine Verbesserung des Wirtschaftsergebnisses des Verbunds durch den Zubringerverkehr mit dem Fahrrad zu erwarten. Denn aus dem Bau von B+R-Anlagen (Fahrradboxen) werden zusätzliche Fahrgeldeinnahmen von jährlich DM 960,-- je Box erwartet. An zusätzlichen Kosten dagegen entstehen für Fahrradboxen lediglich DM 322,-- pro Jahr. Daraus ergibt sich ein jährlicher Überschuß von 66 % bzw. ein Amortisationszeitraum von weniger als einem Jahr (vgl. Abb. 2). Das liegt vor allem daran, daß Fahrradboxen in der Regel zu 80 % mit öffentlichen Mitteln des Landes gefördert werden können und die jährlichen Folgekosten gering sind.

Ein wesentlicher Grund, warum bislang Fahrradboxen nur selten angeschafft werden, liegt daran, daß Kosten- und Nutzenträger nicht identisch sind. Dies hat zur Folge, daß sich B+R-Anlagen für die Kommune als Bauherren nicht rechnen, weil die Kommunen die jährlichen Folgekosten für die Fahrradboxen direkt zu tragen haben. Deshalb sollte darüber nachgedacht werden, dem Verbund über die konzeptionelle Planung hinaus auch die Zuständigkeit für die Finanzierung und den Betrieb der Fahrradboxen zu übertragen.


Verkehrliche, wirtschaftliche und planerische Aspekte des Bike+Ride-Verkehrs im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr. Vortrag von H. Gyukits auf dem Fahrradkongress in Erftkreis am 18. Juni 1997.

Anschrift des Autors

Dipl.-Ing. Hartmut Gyukits, Verkehrsverbund Rhein-Ruhr GmbH, Bochumer Str. 4, 45879 Gelsenkirchen, Tel.: 0209/1584-120.


Der Forschungsdienst Fahrrad des ADFC berichtete bis 1999 14-tägig über Verkehrswissenschaft und Fahrradpolitik. Vielen Dank an die Herausgeber Tilman Bracher und Mattias Doffing und an Elmar Steinbach, der die FDFs ins Internet gebracht hat.

Seit Mitte 1999 ist der Forschungsdienst Fahrrad eingestellt. Er wurde durch den Bicycle Research Report ersetzt, der beim ECF (www.ecf.com) abonniert werden kann. werden kann. European Cyclists' Federation ECF - Rue de Londres 15 (b. 3) - B-1050 Brussels - Phone: +32-2-512 98 27 - Fax: +32-2-511 52 24, e-mail: office@ecf.com


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