ADFC FDF-Archiv

ForschungsDienst Fahrrad


FDF 284 - 6.12.96

Tilman Bracher: Die Neuorientierung der Radverkehrsplanung


ADFC/SRL, FGSV und BLFA-StVO versuchen Einbeziehung der Radfahrerwünsche in Planungsempfehlungen für Radverkehr
Wichtigstes Ergebnis Die Empfehlungen zum Radverkehr beziehen bei zentralen, für den Radverkehr wichtigen Punkten die Erkenntnisse, Erfahrungen und Wünsche verschiedener Organisationen ein. Die Führung des Radverkehrs soll in Zukunft mehr als Mischverkehr bzw. auf geeigneten Radverkehrsanlagen vorgesehen werden, wobei strenge Qualitätsanforderungen über Anlage derselben und über die Benutzungspflicht entscheiden.
Zum Inhalt
Die "Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA 95)" von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen FGSV, die vorbereitete StVO-Novelle des Bund-Länder-Fachausschuß für den Straßenverkehr und die Verkehrspolizei BLFA-StVO und die Reihe "Fakten - Argumente - Forderungen FAF" des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs ADFC und der Vereinigung für Stadt- und Landesplanung SRL zielen sämtlich auf eine Verbesserung der Radverkehrsbedingungen. Stellt der niederländische "Masterplan Fiets"die Bedürfnisse des Radverkehrs in den Mittelpunkt, so stehen dort bei den deutschen Regelwerken die Bedürfnisse der Planer und die Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs. Zentrales Thema ist die Frage nach der Führung des Radverkehrs auf Radwegen. Abweichend vom bisherigen Grundsatz, Rad- und Kfz-Verkehr möglichst zu trennen, differenzieren die Empfehlungen stärker: neben die Verkehrsmengen und die Straßengestaltung tritt als gewichtiges Kriterium die Radwegequalität (verankert in der Verwaltungsvorschrift zur StVO (VwV-StVO) [Abb. 1]. Zahlreiche Radwege befinden sich in einem Zustand, der eine Benutzungspflicht ausschließt bzw. verbietet.

Bei der Planung von Radverkehrsverbindungen ist nach den ERA 95 auf Direktheit, Bequemlichkeit und (auch soziale) Sicherheit zu achten, insbesondere auch auf Hauptverkehrsstraßen. Neben dem Mischverkehr kommt die Führung des Radverkehrs auf Radwegen in Frage. Sind spezielle Radverkehrsanlagen nicht zu realisieren, könnten die Umorganisation des ruhenden Verkehrs, die Verringerung der Fahrstreifenbreite, die Verringerung der Fahrstreifenanzahl oder ein Flächengewinn in den Seitenräumen der Straße (Grunderwerb) zu einer neuen Nutzungsaufteilung der Straße führen.

Im Mischverkehr auf der Fahrbahn, der v.a. in wenig und mit niedrigen Geschwindigkeiten befahrenen Straßen sinnvoll ist, ist auf die zum Überholen notwendige Fahrstreifenbreite zu achten und auf Hauptverkehrsstraßen u.U. eine Geschwindigkeitsdämpfung durch geeignete Maßnahmen erforderlich.

Reicht die Fahrbahnbreite für Radfahrstreifen oder Radwege nicht aus, können und Beachtung einer Mindestfahrbahnbreite von 7 bis 8,5 Metern (ohne Parken) Angebotsstreifen angelegt werden. Auch zum Vorbeifahren und Abbiegen in Knotenpunktsbereichen sind sie sinnvoll.

In der Frage nach der Benutzung von Sonderfahrstreifen für Linienomnibusse durch Radfahrer unterscheiden sich die VwV-StVO und die ERA 95 im wesentlichen in der vorgeschlagenen Mindestbreite (4,25 - 4,75 m bzw. 3,00 - 3,25 m).

Auch bei den Radfahrstreifen (für den Radverkehr reservierte Flächen im Fahrbahnraum) unterscheiden sich die Mindestbreitenempfehlungen von ERA 95 (1,60 m ohne Markierung) und VwV-StVO (1,50 m, Regelbreite 1,80 m).

Bordsteinradwege werden wegen der Sicherheitsprobleme und der durch sie bedingten Zeitverluste nur noch eingeschränkt empfohlen. Die Regelbreite beträgt dabei 2,00 m (ERA 95, Mindestbreite 1,60 m), 2,00 m (VwV-StVO, Mindestbreite 1,50 m) bzw. 2,50 m (ADFC/SRL, Mindestbreite 2,00 m). Hinzu kommen Schutzstreifen, je nach Verkehrs- und Parksituation, von 0,50 - 1,50 m.

Überall dort, wo die Qualitätsstandards nicht erfüllt werden, kann künftig keine Radwegebenutzungspflicht angeordnet werden.

Mischverkehr mit Fußgängern darf nur noch nach sorgfältiger Abwägung angeordnet werden. Dabei steht die Sicherheit v.a. älterer Verkehrsteilnehmer und Kinder im Vordergrund. Einseitige gemeinsame Geh- und Radwege sollten außerorts eine Regelbreite von 2,50 m aufweisen. Die Sicherheit von Kindern soll zusätzlich durch die Erweiterung der Benutzungsmöglichkeit von Gehwegen bis zum vollendeten 10. Lebensjahr verbessert werden.

Zur Förderung des Radverkehrs können Fahrradstraßen dort ausgewiesen werden, wo Fahrradverkehr als vorherrschende Verkehrsart vorkommt bzw. zu erwarten ist. Werden andere Verkehrsarten zugelassen, so haben sie sich dem Radverkehr unterzuordnen und nur mäßig schnell zu fahren.

Auch die Öffnung von Einbahnstraßen in Gegenrichtung (auf abgetrennten Radwegen oder Radfahrstreifen in Hauptverkehrsstraßen, auf der Fahrbahn in Erschließungsstraßen) verbessert die Verkehrssituation von Radfahrern, und zwar nachweislich ohne zusätzliche Gefährdung des Radverkehrs.

Auf die bereits hingewiesenen Gefahren in Knotenpunktsbereichen gehen die verschiedenen Empfehlungen ebenfalls ein. Die Sichtbarkeit der Radfahrer als wichtigstes Kriterium kann in diesen Bereichen durch nichtabgesetzte Radfahrerfurten, Radfahrschleusen oder aufgeweitete Radaufstellflächen hergestellt werden. Nicht signalisierte Rechtsabbiegestreifen mit Dreiecksinseln sind innerorts nicht mehr vorzusehen.

Zur Leichtigkeit und Sicherheit des Radverkehrs sollen entsprechend geschaltete Lichtsignalanlagen beitragen, die ein Überqueren auch großräumiger Knotenpunkte ohne Zwischenhalt ermöglichen. Auch eine "Grüne Welle" sollte für Radfahrer im Zuge von Hauptverkehrsstraßen angeboten werden, eine verkehrsabhängige Lichtsignalanlagenschaltung über Detektoren sollte Radfahrer angemessen berücksichtigen.

Als für den Radverkehr geeignet haben sich als Knotenpunktsausführung kleine, einspurige Kreisverkehrsplätze erwiesen, während große, mehrspurige besonders unfallträchtig sind. Wichtig ist die Führung des Radverkehrs auf der Fahrbahn.



Artikel
Tilman Bracher: Die Neuorientierung der Radverkehrsplanung. Handbuch der kommunalen Verkehrsplanung, Kap. "Verkehrssysteme und Verkehrsteilsysteme", 14. Ergänzungslieferung 7/1997, S. 1 - 33


Der Forschungsdienst Fahrrad des ADFC berichtete bis 1999 14-tägig über Verkehrswissenschaft und Fahrradpolitik. Vielen Dank an die Herausgeber Tilman Bracher und Mattias Doffing und an Elmar Steinbach, der die FDFs ins Internet gebracht hat.

Seit Mitte 1999 ist der Forschungsdienst Fahrrad eingestellt. Er wurde durch den Bicycle Research Report ersetzt, der beim ECF (www.ecf.com) abonniert werden kann. werden kann. European Cyclists' Federation ECF - Rue de Londres 15 (b. 3) - B-1050 Brussels - Phone: +32-2-512 98 27 - Fax: +32-2-511 52 24, e-mail: office@ecf.com


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