ADFC FDF-Archiv

ForschungsDienst Fahrrad


FDF 283 - 29.11.1996

J. Henninger, E. Niederstraßer: Das Braunschweiger Modell

Rad- und Fußverkehrsförderung an der TU Braunschweig


Wichtigstes Ergebnis
An der TU Braunschweig werden zwei Stellen der Fahrrad- und Verkehrs AG aus den studentischen Semesterbeiträgen finanziert. Vorteile gegenüber ehrenamtlicher Tätigkeit liegen in der Kontinuität der Arbeit, die längerfristige Projekte ermöglicht.

Zum Inhalt
Vor dem Hintergrund des sog. Darmstädter Modells entwickelte die Fahrrad- und Verkehrs-AG (FVAG) an der TU Braunschweig im Wintersemester 91/92 das "Braunschweiger Modell". Zur Förderung des Rad- und Fußverkehrs zahlen die Studenten zusätzlich 3,90 DM je Semester um zwei Personalstellen und ein Sachmitteletat für die Arbeit der FVAG zu finanzieren. Eine Angestellte koordiniert die ehrenamtliche Arbeit in der Fahrradselbsthilfewerkstatt und organisiert deren Betrieb, die andere vertritt als Verkehrsbeauftragte die Interessen der radelnden und zu Fuß gehenden Studierenden.

Arbeitsfelder der Verkehrsbeauftragten liegen u.a. in der Gremienarbeit und auf der konzeptionellen Ebene. Organisation und Betreuung von Infoständen, regelmäßige Herausgabe verkehrspolitischer Reader, die Organisation von Vorträgen bis hin zur Erarbeitung und Gestaltung von Schautafeln. So wurde ein Rad- und Fußverkehrskonzept für den Campus erstellt, dessen Schwerpunkt die "dezentrale Konzentration" von Fahrradabstellanlagen bildet. Ein weiteres Konzept wurde für die Anbindung der neuen Mensa im TU-Ostbereich an den Zentralbereich entwickelt. Nach der Fertigstellung der neuen Mensa und der sanierungsbedingten vorübergehenden Schließung der alten Mensa wird der ohnehin starke Pendelverkehr ein Ausmaß erreichen, dem die bereits heute unzureichende Fahrradinfrastruktur nicht mehr genügen wird.

Eine feste Ansprechpartnerin für Beschwerden zu haben, hat den Vorteil, daß der individuelle Alltagsärger der Radelnden und zu Fuß gehenden kanalisiert und konstruktiv umgesetzt wird. Die Hürde, die die Kontaktaufnahme mit Stadtverwaltungen, politischen Gremien, kommunalen Radverkehrsbeauftragten etc. oftmals für einzelne darstellt, entfällt.

Die FVAG unterhält eine Fahrradselbsthilfewerkstatt, die kostenlose Unterstützung der Studierenden, Reparaturtermine, Technikkurse und Leihräder bietet. Auf Nachfrage beteiligt sich das Werkstattteam auch an Aktivitäten außerhalb der Werkstatt: bei Stadtteilfesten, Öffentlichkeitsaktionen und mit der mobilen Fahrradselbsthilfewerkstatt. Seit drei Semestern werden regelmäßig Anhängerbaukurse angeboten, die sich einer regen Nachfrage erfreuen.

Die anfängliche Befürchtung, daß es zu Konflikten und Konkurrenzen zwischen bezahlt und unbezahlt Arbeitenden kommen könnte, hat sich im Braunschweiger Modell bislang nicht bewahrheitet. Das Problem, daß sich studierende aus dem Projekt zurückziehen, weil die Arbeit von zwei bezahlten Kräften ausgeführt wird, ist nicht eingetreten. Das bedeutet allerdings nicht, daß das Nebeneinander von bezahlten und unbezahlten "ehrenamtlichen" Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen keine Probleme aufwirft. Die Studierenden in der FVAG können sich darauf verlassen, daß die Verantwortlichkeiten und die Entwicklung von Konzepten von den Hauptamtlichen übernommen werden. Das birgt die Gefahr, daß sie ihren individuellen Beitrag als weniger entscheidend für den Erfolg des Modells betrachten. Die Angestellten stehen damit vor den Situation, sich nicht immer auf die Mitarbeit der Studierenden verlassen zu können; sie müssen mit einer hohen Fluktuation in ihrem Arbeitsumfeld umgehen können. Dennoch sind die Beteiligten zu dem Schluß gekommen, daß das studentische Engagement nicht durch hauptamtliche Arbeit ersetzt wird, sonder daß das Spektrum der Aktivitäten erweitert und die ehrenamtliche Arbeit lediglich in andere Bahnen gelenkt wird. Langfristig soll die Braunschweiger Modell seinen Charakter als Modellprojekt verlieren uns sich als feste Institution in der Braunschweiger Hochschullandschaft etablieren.

Artikel
Jutta Henninger, Elke Niederstraßer: Das Braunschweiger Modell, Rad- und Fußverkehrsförderung an der TU, Verkehrszeichen 4/1996, Seiten 28 - 30

Autorinnen
Jutta Henninger, Elke Niederstraßer: FVAG, Katharinenstraße 1, 38106 Braunschweig, Tel. (0531) 391 46 90, Fax (0531) 391 46 92


Autor(en) dieser Ausgabe: Mattias Doffing.
Der Forschungsdienst Fahrrad des ADFC berichtete bis 1999 14-tägig über Verkehrswissenschaft und Fahrradpolitik. Vielen Dank an die Herausgeber Tilman Bracher und Mattias Doffing und an Elmar Steinbach, der die FDFs ins Internet gebracht hat.

Seit Mitte 1999 ist der Forschungsdienst Fahrrad eingestellt. Er wurde durch den Bicycle Research Report ersetzt, der beim ECF (www.ecf.com) abonniert werden kann. werden kann. European Cyclists' Federation ECF - Rue de Londres 15 (b. 3) - B-1050 Brussels - Phone: +32-2-512 98 27 - Fax: +32-2-511 52 24, e-mail: office@ecf.com


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