ADFC FDF-Archiv

ForschungsDienst Fahrrad


FDF 282 - 15.11.1996

D.L. Robinson: Kopfverletzungen und die Helmpflicht für Radfahrer

Die Helmpflicht erhöht das Individuelle Verletzungrisiko


Wichtigstes Ergebnis
Die Hauptauswirkung der Einführung der allgemeinen Helmpflicht für Radfahrer in Australien war nicht, diese zum Helmtragen zu bewegen, sondern vom Radfahren abzuhalten. Nebenbei stieg noch das Verletzung- und Todesrisiko für die verbliebenen Radfahrer.

Zum Inhalt
In Australien wurde 1991 eine allgemeine Helmpflicht für Radfahrer gesetzlich verordnet. Die Hauptauswirkung der Helmpflicht, faßt Dorothy Robinson von der University of New England in einer umfassenden Analyse zusammen, ist vor allem eine Abschreckung vom Radfahren überhaupt. Durch die Helmpflicht erlebte der seit Jahren anhaltende australische Fahrradboom mit ständig steigendem Radverkehrsanteil einen dramatischen Einbruch.

Im australischen Bundesstaat New South Wales (NSW) wurden die Auswirkungen auf Kinder unter 16 Jahren untersucht: der Anteil jener, die mit Helm radelten, stieg durch die Helmpflicht von 31% auf 76%. Im selben Zeitraum nahm die Zahl der radfahrenden Kinder massiv ab: gegenüber 1991 im Jahr 1992 um 36% und 1993 bereits um 44% (Tabelle 1). Die Zahl der Kopfverletzungen sank zwar in absoluten Zahlen, zur Zahl der Radfahrer ins Verhältnis gesetzt nahm sie hingegen zu (Tabelle 2): Radfahren wurde offenbar für die verbliebene Zahl radfahrender Kinder gefährlicher.

Um herauszufinden, ob das erhöhte Verletzungsrisiko auf allgemeine Änderungen der Verkehrssicherheit zurückzuführen ist, wurden Verletzungen von Radfahren bei Unfällen auf der Straße, die der Polizei in NSW gemeldet wurden mit denen für Fußgänger und andere Straßenbenutzer verglichen. Tatsächlich sanken die gemeldeten Todesfälle und schweren Verletzungen (DSI) von Kindern im Straßenverkehr im betrachteten Zeitraum (siehe Tabelle 3). Robinson macht dafür die verschärften Geschwindigkeits- und Alkoholkontrollen, die zur selben Zeit durchgeführt wurden, verantwortlich. Die Radfahrer konnten davon nicht profitieren: Wären 1993 genausoviele radfahrende Kinder unterwges gewesen wie vor der Einführung der Helmpflicht, so hätte sich der DSI um 21% erhöht, während der für zu Fuß gehende Kinder um 21% gesunken ist.

Abbildung 7 zeigt, daß bei zunehmendem Radverkehr das individuelle Verletzungs- und Todesrisiko abnimmt. Umgekehrt kann man vermuten, daß bei sinkendem Radverkehr das individuelle Risiko steigt. Robinson folgert, daß das Bewußtsein um die Radfahrer, einschließlich der Anzahl der Radfahrer auf der Straße, und das allgemeine Verkehrsklima einen größeren Einfluß auf die Sicherheit von Radfahrern haben als das Tragen von Helmen.

Auch bei den zwischen 1992 und 1994 in New South Wales getöteten oder schwer verletzten Radfahrern läßt sich kein höherer Schutz der Helmträger ableiten: 80% der Getöteten trugen Helme, was ziemlich genau dem Anteil der Helm tragenden Radfahrer entspricht.

Die positiven Gesundheitseffekte des Radfahrens, auch ohne Helm, gleichen die Gesundheitsgefährdung durch Verletzungen bei weitem aus (Hillman 1982, siehe FDF180). Deshalb bedeutet das Gesetz, dessen größte Auswirkung eine Verminderung des Radfahrens ist, letztlich einen Wohlfahrsverlust für das Land.

Artikel
Dorothy Robinson: Head Injuries amd Bicycle Helmet Laws, Accident Analysis and Prevention, volume 28, number 4, pages 463 - 75 (1996) (Zur Besprechung stand uns eine Vorabversion des Artikels zur Verfügung.)

Autorin
Dorothy L. Robinson, AGBU, University of New England, Armidale, NSW 2351, Australia, email: drobinso@mendel.une.edu.au


Autor(en) dieser Ausgabe: Mattias Doffing.
Der Forschungsdienst Fahrrad des ADFC berichtete bis 1999 14-tägig über Verkehrswissenschaft und Fahrradpolitik. Vielen Dank an die Herausgeber Tilman Bracher und Mattias Doffing und an Elmar Steinbach, der die FDFs ins Internet gebracht hat.

Seit Mitte 1999 ist der Forschungsdienst Fahrrad eingestellt. Er wurde durch den Bicycle Research Report ersetzt, der beim ECF (www.ecf.com) abonniert werden kann. werden kann. European Cyclists' Federation ECF - Rue de Londres 15 (b. 3) - B-1050 Brussels - Phone: +32-2-512 98 27 - Fax: +32-2-511 52 24, e-mail: office@ecf.com


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