Eine Erhöhung des Radverkehrsanteils läßt sich am ehesten mit starken Bündnispartnern und einem Bündel von Maßnahmen erreichen. Viel Energie muß in Information und Wissensvermittlung gesteckt werden. Modellprojekte, Forschung und Experimente liefern die notwendigen Erkenntnisse. Das große Interesse anderer Länder am niederländischen Masterplan fiets zeigt die Notwendigkeit eines internationalen Bicycle Transport Informationszentrums.
Ende 1996 läuft der niederländische Masterplan fiets nach sechs Jahren aus. Auf der Velo-City-Konferenz `95 in Basel stellte Ton Wellemann vom Vekehrsministerium der Niederlande die wichtigsten Ergebnisse vor. Fünf Schwerpunkte hatte sich die Masterplan-Projektgruppe zu Beginn ihrer Arbeit gesetzt.
1. Autofahrer zum Umsteigen auf das Fahrrad bewegen
Auch in den Niederlanden wird das Auto häufig im Kurzstreckenbereich genutzt. Die Erfahrungen des Masterplan fiets zeigen, daß der Bau hochwertiger Radverkehrsanlagen und Radverkehrsnetze allein noch keine nennenswerten Umsteigeeffekte vom Auto auf das Rad bringt. Gleichzeitig sind Car-Sharing, gebührenpflichtiges Parken, autofreie Innenstädte usw. notwendig, um dann - mit Zeitverzögerung von mehreren Jahren - die erwünschten Umsteigeeffekte zu bekommen. Zusätzlich sollten durch betriebliche Radverkehrsförderung gezielt Pendler zum Umsteigen bewegt werden.
2. Wegeketten
Die meisten Wege werden nicht mit einem einzigen "Verkehrsmittel" zurückgelegt. So ist für den Fahrgast des ÖPNVs die Fahrt von Haltestelle zu Haltestelle nur ein Teil seines Wegs. Entscheidender ist für ihn die Gesamtstrecke von Tür zu Tür. Radverkehr und öffentlicher Personenverkehr können sich in ihren Vorteilen hier ergänzen.
Neben der Unterstützung von Pilotprojekten war die wichtigste Aufgabe der Projektgruppe die Überzeugung der Verkehrsgesellschaften vom Gewinn, den sie durch eine verstärkte Fahrradnutzung hätten. So wurden beispielsweise Fahrradstationen bisher gerne nach ihrem finanziellen Ertrag bewertet, der jedoch eher klein ist. Der Wert für die Bahn liegt darin, daß aufgrund guter Abstellmöglichkeiten Menschen mit dem Rad zum Bahnhof kommen, die sonst ihren gesamten Weg mit dem Auto zurückgelegt hätten. Die Bedeutung des Fahrrads für Bus und Bahn wird besonders deutlich, wenn man bedenkt, daß sich der Einzugsbereich eines Bahnhofs durch Radfahrten im Vergleich zum Fußverkehr etwa verzehnfacht.
3. Radverkehrs-Sicherheit
Hier lag die Überlegung zugrunde, daß man auf das Verhalten des einzelnen Straßennutzers wenig Einfluß ausüben kann. Also sollte das Verkehrssystem dahingehend verändert werden, daß Konflikte zwischen Radverkehr und schnellem Autoverkehr weitgehend ausgeschlossen sind. Die Projektgruppe sieht die beste Lösung in der Trennung von motorisiertem Verkehr und Radverkehr sowohl auf der Strecke wie auch im Knotenpunktbereich. Wo diese Trennung nicht konsequent durchgehalten werden kann, sei eine drastische Reduzierung der Geschwindigkeit des motorisierten Verkehrs notwendig. Die Prinzipien einer sicheren Radverkehrsplanung fanden Eingang in das Handbuch "Radverkehrsplanung von A bis Z".
4. Fahrradparken und Maßnahmen gegen Fahrraddiebstahl
Die hohe Zahl der Fahrraddiebstähle führt dazu, daß viele Menschen gar kein oder nur noch ein minderwertiges Rad besitzen. Diese oftmals erbärmlich aussehenden Vehikel werden scheinbar überall und wild abgestellt, da keine ausreichenden Stellplätze vorhanden sind. Dies chaotische Bild verhindert wiederum, daß die Verantwortlichen der Stadt gewillt sind, hochwertige Fahrradabstellanlagen zu errichten. Die Projektgruppe hat versucht, diesen Teufelskreis zu durchbrechen.
Es könne kaum den Radfahrern angelastet werden, daß sie sich nach einem geeigneten Fahrradabstellplatz umsehen. Das geordnete Parken von Autos sei allgemein akzeptiert, Radfahrer finden geeignete Plätze dieser Art kaum vor. Hersteller von Abstellanlagen, Wohnungsbaugesellschaften, Verkehrsunternehmen, Fahrradhändler und Kommunen sind nur einige der Gesprächspartner, bei denen die Projektgruppe versucht hat, auf das Problem aufmerksam zu machen. Auch die Polizei mißt dem Fahrraddiebstahl eine geringe Bedeutung zu , da der finanzielle Schaden im Einzelfall vergleichsweise gering ist. Die negativen Folgen für die Verkehrssicherheit ergeben sich durch Nutzung minderwertiger Fahrräder oder geringere Fahrradnutzung im allgemeinen.
Fahrradhändler und -hersteller waren bisher davon überzeugt, vom Fahrraddiebstahl zu profitieren. Doch Untersuchungen ergaben, daß ein bestohlender Radfahrer eher zum Gebrauchtrad oder einem billigeren Neurad greift. Oftmals werden diese Räder nicht beim Fachhandel gekauft. Demnach sieht Wellemann auch bei den Fahrradhändlern Bündnispartner im Kampf gegen den Fahrradklau.
5. Kommunikation
Fahrradpolitik ist eine kleine Sammlung von Maßnahmen, mit der ein komplexes System beeinflußt werden soll, das aus einer Vielzahl von Elementen besteht, die wiederum in vielfältigen wechselseitigen Beziehungen stehen. Diese Wechselbeziehungen sind oft wichtiger als die Einzelmaßnahmen selbst. Wenn die Handelnden mit den richtigen Argumenten und Instrumenten vertraut sind, wächst ihre Bereitschaft, die erforderliche Aktion durchzuführen. Die Projektgruppe hat auf die Vermittlung dieses know-hows viel Wert gelegt und eine große Zahl von Zielgruppen direkt und möglichst individuell angesprochen.
Schlußbemerkung
Ton Wellemann sieht einen der Erfolge des Masterplan fiets darin, daß heute viel mehr Maßnahmen als nur Radwegbau und eingleisige Betrachtung der Radverkehrssicherheit bestehen. Es gibt viele neue Erkenntnisse und damit auch zahlreiche neue Maßnahmen, die den Radverkehrsanteil erhöhen können. Der größte Erfolg des Masterplans liegt für Wellemann darin, daß viele Zielgruppen im Fahrrad das effiziente Verkehrsmittel mit geringen Kosten für seine Nutzer und die Gesellschaft im allgemeinen erkannt haben.
Seit Mitte 1999 ist der Forschungsdienst Fahrrad eingestellt. Er wurde durch den Bicycle Research Report ersetzt, der beim ECF (www.ecf.com) abonniert werden kann. werden kann. European Cyclists' Federation ECF - Rue de Londres 15 (b. 3) - B-1050 Brussels - Phone: +32-2-512 98 27 - Fax: +32-2-511 52 24, e-mail: office@ecf.com
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