ADFC FDF-Archiv

ForschungsDienst Fahrrad


FDF 273 - 12.7.1996

Peter Grote: Radfernwege - neue Wege für den Tourismus

Vorzeitige Eröffnung des Harzrandweges schadet seinem Ansehen


Wichtigstes Ergebnis
Bislang wird die Stellung des Fahrradtourismus seitens der Planungsträger oftmals unterschätzt, seine wirtschaftliche Größe vielfach ignoriert oder unzureichend berücksichtigt. Daraus resultiert dann die fehlende Bereitsschaft von Gemeinden beziehungsweise Behörden, sich ernsthaft mit dem Bereich Fahrradtourismus auseinanderzusetzen und die notwendigen Anfangsinvestitionen zur Erstellung eines attraktiven Angebotes für Radtouristen zu tätigen.

Zum Inhalt
Im Rahmen einer Diplomarbeit beschäftigte sich Peter Grote mit Planung und Umsetzung von Radfernwegen.

Der allgemeine Teil umfaßt einen Kriterienkatalog, in dem die generellen Anforderungen von Radtouristen an Radrouten aufgeführt sind:

* Routenwahl (Abwechslungsreichtum und Reiz der Route),

* Vermittlung des Landschaftscharakters (wie wird dem Radler der jeweilige Naturraum nähergebracht),

* Wegebau (Oberflächenmaterialien, Wegebreite),

* Wegweisung und Karten (Beschilderung und geeignetes Kartenmaterial),

* generelle Ausstattung (Serviceeirichtungen wie Abstellanlagen, Rastmöglichkeiten, Schutzhütten),

* das Begleitangebot in der Radelregion (Museen, Badeseen, Naturkundliche Lehrpfade, geführte Tagestouren oder Stadtrundfahrten per Rad),

* das Angebot an Gastronomie und Unterkünften (ausreichendes Vorhandensein von Jugendherbergen, Campingplätzen, Hotels und Pensionen sowie Fahrradfreundlichkeit der jeweiligen Betriebe

* die Anbindung der Region durch öffentliche Verkehrsmittel.

Zudem werden in der Arbeit die Umweltbeieinflussungen durch Bau, Anlage und Betrieb von Radfernwegen diskutiert (Kriterien: Baumaßnahmen, Versiegeleung, Trennwirkung und Verlärmung durch Radfernwege, optische Beeinträchtigung der Landschaft, Anreise- und Umweltverhalten der Radtouristen sowie Konflikte mit anderen Erholungssuchenden).

Der praxisbezogene Teil der Arbeit stellt den Harz als Landschafts- und Lebensraum sowie als Fremdenverkehrsregion dar. Zudem werden die zwei Radfernwege in der Region - der Radfernweg R1 im Bereich Nordharz und der neue Harzrundweg - sehr ausführlich mit den beiden Kriterienkatalogen (Anforderungen an Radrouten und Umweltbeeinträchtigungen durch Radfernwege) verglichen:

Der Harz stellt aufgrund der abwechslungsreichen Landschaft und seiner interessanten historischen Entwicklung ein sehr reizvolles, wenn auch topographisch anspruchsvolles Radelgebiet dar. Die vielen geschichtsträchtigen Sehenswürdigkeiten im Norden des Gebirges (Goslar, Wernigerode, Brocken) und die flachere, abwechslungsreiche und landwirtschaftlich geprägte Gegend des Südharzes bieten vielfältige Möglichkeiten für kürzere Radwanderungen oder eine Radreise.

Gerade für eine solche mehrtägige Radtour bieten sich die beiden Radfernwege im Harz an, zumal der R1 in westlicher wie auch neuerdings in östlicher Richtung noch weitere sehenswerte Lanschaftsräume für Reiseradler erschließt.

Bislang weisen jedoch sowohl der R1 im Nordharz als auch der Harzrundweg, welche im Norden des Gebirges größtenteils auf gleicher Route verlaufen, noch eklatante Mängel auf. So ist die Wegweisung im Harz unzureichend (die Schilder sind zu klein, zu wenig informativ und häufig sind gestohlene Schilder nicht ersetzt worden).

Der neueröffnete Harzrundweg - der Spiralo ist gerade erschienen - weist bislang auf größeren Strecken noch gar keine Beschilderung auf. Beide Routen verlaufen häufig auf zu schmalen Wegen mit sehr schlecht befahrbarer Oberfläche (z.B. Ziegelsteinbruch, grobe erodierte Schotterdecken), wobei die Wege teilweise überhaupt nicht gewartet werden und deshalb auch schon zugewachsen sind. Die Befahrbarkeit der Radfernwege mit Sonderfahrzeugen (z.B. Anhänger, Rollstuhlbikes) ist somit nur eingeschränkt möglich. Zudem ist die Routenwahl teilweise für Reiseradler als unzutmubar anzusehen, da die Route über Schotterstrecken mit 15 % Steigung oder über Treppen (!!) geführt wird, obwohl Alternativstrecken vorhanden sind. Ein weiteres Problem kann den Fahrradurlaub im Harz schwierig machen: Gerade der Ostharz weist nur eine geringe Dichte an Übernachtungs- und Gastronomiebetrieben gleich welcher Preiskategorie auf, wovon besonders der Harzrandweg betroffen ist.

Abschließend läßt sich feststellen, daß im Harz noch nicht das wirtschaftliche Potential des Fahrradtourismus erkannt worden ist. Die grundsätzlich sehr gute Idee eines Rundweges durch eine interessante und gegensätzliche Region ist leider nur unzureichend in die Praxis umgesetzt worden. Beim R1 im Norden des Harzes kommt erschwerend hinzu, daß dieser Streckenabschnitt die Fortführung des Westfahlenradweges darstellt, dessen Aubauzustand als sehr gut bezeichnet werden kann, womit die Erwartung an den weiteren Streckenverlauf seitens der Radtouristen noch gehoben wird. Diesen Erwartungen kann der R1 im Harz jedoch nicht gerecht werden. Aus Sicht des Autors sind zahlreiche Verbesserungsmaßmahmen erforderlich, um die Gefahr negativer Werbung durch enttäuschte Radtouristen zu vermeiden. Ais diesem Grunde sieht der Autor die Eröffnung des Harzrundweges im Frühjahr 1996 als viel zu früh an. Erst wenn beide Radfernwege gründlich überarbeitet wurden, ist der Harz für Radreisende uneingeschränkt empfehlenswert.

Diplomarbeit
Peter Grote: Radfernwege - Neue Wege für den Tourismus. Planung und Realisierung von Radfernwegen. Eine Untersuchung, konkretisiert am Beispiel des R1 im Bereich Nordharz und des noch nicht eröffneten Harzrand-Radwanderwges. Diplomarbeit Uni-GH Paderborn, Abteilung Höxter, Fachbereich Landschaftsarchitektur und Umweltplanung, Höxter Dezember 1995

Kontakt
Peter Grote, c/o Magdalenenstraße 39, 46537 Dinslaken, Tel. (02064) 5 25 77
Bezug
bebilderte S/W-Kopie, 130 Seiten plus Anhang, incl. Porto DM 30.-. Einsicht (ggf. Bezug) auch über: Regionalverband Harz e. V., Hohe Straße 6, 06484 Quedlinburg

Autor(en) dieser Ausgabe: Peter Grote.
Der Forschungsdienst Fahrrad des ADFC berichtete bis 1999 14-tägig über Verkehrswissenschaft und Fahrradpolitik. Vielen Dank an die Herausgeber Tilman Bracher und Mattias Doffing und an Elmar Steinbach, der die FDFs ins Internet gebracht hat.

Seit Mitte 1999 ist der Forschungsdienst Fahrrad eingestellt. Er wurde durch den Bicycle Research Report ersetzt, der beim ECF (www.ecf.com) abonniert werden kann. werden kann. European Cyclists' Federation ECF - Rue de Londres 15 (b. 3) - B-1050 Brussels - Phone: +32-2-512 98 27 - Fax: +32-2-511 52 24, e-mail: office@ecf.com


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