ADFC FDF-Archiv

ForschungsDienst Fahrrad


FDF 272 - 28.6.1996

Jonathan Toy: Trennung oder Mischverkehr: Wieviel an spezieller Unterstützung nur für Radfahrer ist nötig?

Sonderlösungen für den Radverkehr sind häufig gefährlich und bremsen den Radverkehr


Wichtigstes Ergebnis
In diesem zusammenfassenden Artikel von Jonathan Toy werden Argumente zur Frage Trennung des Radverkehrs vom übrigen Verkehr erörtert. Ein-/Vorrichtungen für Radfahrer sollen wenn immer möglich Gebrauch von Lösungen auf Straßen machen. Dies wird häufig den Ausschluß, die Reduzierung oder zur Beruhigung von motorisertem Verkehr bedeuten, und damit allen verletzbaren Straßennutzern nützen.

Zum Inhalt
Zwei Motive, spezielle Einrichtungen für den Radverkehr in Betracht zu ziehen, sind die Erhöhung des Radverkehrsanteils und die Reduzierung der Unfallrate.

Jonathan Toy untersucht Separation und Integration von Radverkehr und allgemeinem Verkehr anhand von fünf Kriterien aus der CROW Studie "Tekenen for de fiets":

Kohärenz:

Ein zweites Netzwerk für den Radverkehr wird niemals so groß sein wie daß bestehende Straßennetzwerk. Viele Straßen wurden bereits vor dem Aufkommen des motorisierten Verkehrs benutzt und verlaufen für nichtmotorisierte Fahrzeuge optimal bzgl. Routenlänge und Steigungen. Deshalb können getrennte Routen höchstens bestehende Straßen ergänzen. z.B. als Abkürzungen, oder als Alternativen für Straßen, die von Radfahrern wegen Unattraktivität oder Gefährlichkeit gemieden werden.

Direktheit

Wegen der beschränkten Leistung des menschlichen Antriebes müssen getrennte Wege für Radfahrer mindestens so direkt sein wie die bestehenden Straßen. Das Maß für Direktheit ist die Zeit vom Start zum Ziel. Die Fahrtzeit wird neben der Weglänge unter anderem auch durch Landschaft, sowie Behinderungen durch Kreuzungen, andere Fahrzeuge und Fußgänger bestimmt. Getrennte Wege ziehen neue Radfahrer dann an, wenn sie Zeiteinsparungen gegenüber ihrem jetzigen Verkehrsmittel bringen. Zeiteinsparungen kann man durch Abkürzungen, Wege entgegen Einbahnstraßen, oder durch Wege durch Orte, wo motorisierter Verkehr unerwünscht ist, wie zum Beispiel Parks, erreichen.

Getrennte Wege verursachen vielfältige Verzögerungen für Radfahrer: Auf getrennten Wegen haben Radfahrer häufig keine Vorfahrt an Kreuzungen. Benutzt ein Radfahrer hingegen die Straße, so profitiert er desto mehr vom Vorrang der Hauptstraße, je wichtiger diese ist. Geringe Entwurfsgeschwindigkeiten bewirkten Verzögerungen für schnellere Radfahrer: So ist z.B. die Entwurfsgeschwindigkeit von 30 km/h für Hauptrouten, die in CROW Studie gefordert werden, viel geringer, als viele Radfahrer bei Rückenwind oder bergab fahren möchten. Da schnellere Radfahrer um Größenordnungen schneller als langsame sind, kommt es zu Behinderungen durch zu schmale Wege beim Überholen.

Attraktivität

Abgesehen vom Freizeitradeln wird die Routenwahl nicht durch die visuelle Attraktivität eines Weges beeinflußt, Abkürzugen können also gut durch stillgelegte Industriegebiete geführt werden. Andererseits gibt es bei getrennter Führung des Radverkehrs durch einsame Gegenden Probleme mit der sozialen Sicherheit.

Für Radfahrer, die sich frei bewegen und nicht an Verkehrsregeln halten wollen, ist die Integration in den allgemeinen Verkehr unattraktiv.

Sicherheit

Erhöhung der Sicherheit ist häufig die Hauptbegründung für getrennte Führung. Dabei weisen getrennte Radverkehrsanlagen (RVA) einige Defizite auf:

* Schlechtes Design: Ein Radweg, der den Bedürfnissen von Alltagsfahrern genügt, ist 2,5m breit, mit Kurvenradien und Sichtdistanzen für Geschwindigkeiten von 40 km/h in der Ebene, 48 km/h bei 4% Gefälle und 64 km/h bei 6% Gefälle.

* Da aber nicht nach diesen Geschwindigkeiten geplant und gebaut wird, sind getrennte RVA gefährlich bei normalen Geschwindigkeiten.

* Radfahrer selbst halten die Verkehrsregeln auf getrennten Wegen nicht ein: Die mangelnde Disziplin, in der Spur zu bleiben und die Kurven nicht zu schneiden, wird verstärkt durch die geringe Breite der Wege.

* Womöglich befinden sich auch noch Fußgänger auf der Fahrbahn.

Komfort

RVA müssen frei sein von Schlaglöchern, durchbrechenden Pflanzen und anderen Zerstörungen, wie es auch für Straßen selbstverständlich ist. RVA brauchen zusätzliche Reinigung, weil keine Autoreifen den Dreck von der Fahrbahn entfernen.

Radfahren auf der Straße bedeutet schnelle und direkte Reise um den Preis von mentalen und physischen Unannehmlichkeiten durch den motorisierten Verkehr. Getrennte Wege, weg von Straßen, vermeiden diese Belastungen, haben aber schlechte Oberflächen. Radfahrer werden auf ihnen ständig zum Bremsen und Beschleunigen wg. zu geringer Entwurfsgeschwindigkeiten gezwungen, werden von anderen Benutzern auf zu schmalen Wegen behindert, und müssen an Kreuzungen Vorfahrt gewähren

Artikel
Jonathan Toy: segregation or integration: how much should cyclists be catered for separatly from every other form of traveller? in: Proceedings of the 8th VELO-CITY Conference, Basel, 26-30 Septmber 1995 S. 393-396.


Autor(en) dieser Ausgabe: Mattias Doffing.
Der Forschungsdienst Fahrrad des ADFC berichtete bis 1999 14-tägig über Verkehrswissenschaft und Fahrradpolitik. Vielen Dank an die Herausgeber Tilman Bracher und Mattias Doffing und an Elmar Steinbach, der die FDFs ins Internet gebracht hat.

Seit Mitte 1999 ist der Forschungsdienst Fahrrad eingestellt. Er wurde durch den Bicycle Research Report ersetzt, der beim ECF (www.ecf.com) abonniert werden kann. werden kann. European Cyclists' Federation ECF - Rue de Londres 15 (b. 3) - B-1050 Brussels - Phone: +32-2-512 98 27 - Fax: +32-2-511 52 24, e-mail: office@ecf.com


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