ADFC FDF-Archiv

ForschungsDienst Fahrrad


FDF 266 - 4.4.1996

Verkehrsminderungskonzept München - Definition, Methodik, Ergebnisse

Reduzierung des Kfz-Verkehrs um ein Drittel durch Verkehrsminderungskonzept


Wichtigstes Ergebnis
Eine weitgehende Einigkeit über die negativen Auswirkungen des Kfz-Verkehrs in heutigem Umfang bedeutet noch lange keine Einigkeit über die verkehrspolitischen Maßnahmen zur Verminderung dieser Problematik. Mit einem Verkehrsminderungskonzept kann hier eine fundierte Grundlage für die anstehenden verkehrspolitischen Diskussionen zur Verfügung gestellt werden. In diesem Text wird das Verkehrsminderungskonzept für die Stadt München angewendet. Es basiert auf der Untersuchung des Planungsbüros Retzko & Topp.

Zum Inhalt
Es wird versucht, die "Maßnahmen zur Eindämmung und Verminderung des Kfz-Verkehrs zu schlüssigen Push-and-Pull-Szenarien" (35) zu kombinieren und deren verkehrliche Kosten und Auswirkungen zu ermitteln und quantitativ darzustellen. Dabei gilt es zu bedenken, daß ein solches Konzept über verkehrspolitische Zielaussagen hinausgeht, aber nicht bereits mit konkreter Verkehrsentwicklungsplanung gleichzusetzen ist und dementsprechend mit hoch aggregierten Kennwerten arbeiten muß. Als prognosemethodische Grundlage dient die übliche Szenariotechnik: Trend (Fortschreibung des Status quo), Minderung I (technologischer Fortschritt, Freizügigkeit der Verkehrsmittelwahl, keine Zunahme des Kfz-Verkehrs), Minderung II (MIV-restriktive Maßnahmen, Reduktion des Kfz-Verkehrs).

Jedes Szenario beinhaltet 13 Elemente, z. Bsp.: Förderung von Fußgänger- und Fahrradverkehr, öffentliches wie privates Parkraum-Management, Steuerung des MIV. Es wird angenommen, daß die verkehrlichen Wirkungen einzelner Szenario-Elemente nicht unabhängig voneinander sind. Eine Vernetzungsmatrix der Elemente macht vier Vernetzungsmöglichkeiten (gegenseitige Ergänzung [push-and-pull], Konkurrenz, flankierende und neutrale Wirkung) deutlich. Damit gilt es notwendigerweise folgendes zu beachten: "Werden in der folgenden politischen Diskussion einzelne Szenarienelemente in Richtung oder Intensität geändert, so erfordert dies eine neue Abschätzung der verkehrlichen Wirkungen eines neuen Szenarios" (36f). Bezogen auf den Radverkehr wird angenommen, daß die Förderung des Fahrradverkehrs schwach mit Parkraum-Management und Restriktionen im MIV vernetzt ist. Die gemeinsame Autonutzung (Fahrgemeinschaften, Car-Sharing) wird im Verhältnis zum Radverkehr als neutral angesehen. Fahrrad und ÖPNV können im Nahbereich in Konkurrenz zueinander treten. Dabei sind jahreszeitliche Austauschbeziehungen zu berücksichtigen. Ab Entfernungen von ca. 8 km wird eine gegenseitige Ergänzung (Bike-and-Ride, Fahrradmitnahme) angenommen.

Vor dem Hintergrund des jeweiligen Minderungsszenarios ergeben sich sechs Abschätzungsschritte (s. Abb.). Die Minderungsansätze beziehen sich auf die im Trendszenario zu erwartenden Verkehrsmengen. Für die Fahrradforschung sind die Ausführungen zum Abschätzungsschritt 1 (Verlagerungen vom Auto zum Fahrrad) interessant: "Verlagerungen vom Auto zum Fahrrad (unter Berücksichtigung der ÖPNV-Wirkungen) werden in größerem Umfang für möglich gehalten, da der Fahrradanteil an allen werktäglichen Wegen in München insgesamt im Städtevergleich - Amsterdam 23%, Kopenhagen 30% im Berufsverkehr bei gutem Wetter, 20% bei Regen, 15..20% im Winter, 10% bei Frost und Schnee - mit 11% gering ist, und da innerhalb von München je nach Qualität des Angebotes und der Wegelänge die Anteile des Fahrrades mit 9% bis 24% recht unterschiedlich sind" (38) [was will uns der Autor damit sagen?]

Bezogen auf das Trendszenario werden im Minderungsszenario I 13% weniger Kfz-Fahrten im Stadtgebiet auftreten, im Szenario II sind es 32% weniger. Die Maßnahmen innerhalb der Szenarien verursachen Kosten in unterschiedlicher Höhe, die jedoch nur grob abgeschätzt werden können. Im Sinne des Prinzips "Verkehr finanziert Verkehr" führen verschiedene Maßnahmen (Parkraum-Management, Road-Pricing) auch zu Einnahmen, die als Finanzierungsgrundlage für den ÖPNV und die Radverkehrsinfrastruktur verwandt werden können.

Artikel
Bieling, N., Skoupil, G., & Topp, H.H. (1996). Internationales Verkehrswesen, 48 (1/2), 35-40.


Autor(en) dieser Ausgabe: Dr. Wolf-Dietrich Heine.
Der Forschungsdienst Fahrrad des ADFC berichtete bis 1999 14-tägig über Verkehrswissenschaft und Fahrradpolitik. Vielen Dank an die Herausgeber Tilman Bracher und Mattias Doffing und an Elmar Steinbach, der die FDFs ins Internet gebracht hat.

Seit Mitte 1999 ist der Forschungsdienst Fahrrad eingestellt. Er wurde durch den Bicycle Research Report ersetzt, der beim ECF (www.ecf.com) abonniert werden kann. werden kann. European Cyclists' Federation ECF - Rue de Londres 15 (b. 3) - B-1050 Brussels - Phone: +32-2-512 98 27 - Fax: +32-2-511 52 24, e-mail: office@ecf.com


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