ADFC FDF-Archiv

ForschungsDienst Fahrrad


FDF 261 - 26.1.1996

Wolfgang Rauh, VCÖ Verkehrsclub Österreich: Straßen zum Radfahren

Thesen und Empfehlungen zum Thema Fahrrad als Fahrzeug im Verkehr

Wichtigstes Ergebnis
Radverkehr ist Fahrzeugverkehr und kein Fußgängerverkehr auf Rädern. Diese Broschüre stellt dar, wie Radverkehr funktionieren sollte und wie er gegenwärtig funktioniert. Daraus werden Lösungen für die Verkehrstechnik abgeleitet, die zu einem sicheren, schnellen und komfortablen Radverkehr beitragen können.

Zum Inhalt
Radfahrer sind Fahrzeuglenker und sollen auch als solche behandelt werden. Dann gelten für sie auch die bewährten, international gültigen Verkehrsregeln: Die Rechtsfahrordnung, das Einordnen nach Fahrtrichtungen vor Kreuzungen, die Regeln über den Richtungs- und Fahrstreifenwechsel und die international gültigen Vorrangregeln. Die Fortbewegung als "Fußgänger auf Rädern" ist gefährlich, umständlich und unbequem.

Wenn man Radfahrer als Fahrzeuglenker behandelt, so bedeutet dies nicht, Radfahrer allen örtlichen Beschränkungen zu unterwerfen, die nur für den Kfz-Verkehr eingeführt wurden. So liegen die Gründe für die Einführung von Einbahnstraßen häufig nur beim Autoverkehr.

Nach einer Befragung des VCÖ hat Zeitersparnis die höchste Priorität bei der Verkehrsmittelwahl (Abb. 1). Deshalb muß ein Netz für den Radverkehr das gesamte Straßennetz umfassen. Die Sperrung von Hauptverkehrsstraßen im Ortsgebiet, die häufig die schnellste Verbindung darstellen, ist durch ein erhöhtes Unfallrisiko nicht zu begründen.

Weiterhin wird eine Reihe von Maßnahmen vorgestellt, mit denen man Radfahren zeitsparend machen kann: Erhalten der Durchlässigkeit von Einbahnstraßen und anderen, für den Kfz-Verkehr gesperrten Verbindungen, Überwindung von Barrieren durch Brücken und Unterführungen, Schaffung kurzer Verbindungswege.

Zur Überprüfung der Fahrradfreundlichkeit hat der VCÖ eine Checkliste für fahrradfreundlliche Gemeinden erstellt. (Abb. 2)

Verkehrskultur statt noch mehr Verkehrstechnik. Straßen und Kreuzungen sind schon jetzt überreguliert. Zumeist haben diese Maßnahmen die Bedingungen für den Autoverkehr begünstigt und Radfahrer benachteiligt. Viele der von Dipl.-Ing. Wolfgang Rauh, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim VCÖ, vorgeschlagenen Verbesserungen dienen dazu, den Status quo für Radfahrer erträglicher zu machen. Das eigentliche Ziel bleibt jedoch die Veränderung der Verkehrskultur. Der Fahrradanteil bestimmt das Verkehrsklima, zum Beispiel in Wien: mit der Zunahme des Radverkehrs in der Stadt ist das Unfallrisiko pro Weg, der mit dem Fahrrad zurückgelegt wird, von 1983 bis 1992 auf ein Viertel gesunken (Abb. 3).

Tempobegrenzung in Ortsgebieten ist nötig, um Sicherheit und Mobilität aller Verkehrsteilnehmer zu erhöhen. Tempo 30 führt auf Nebenstraßen nur zu geringen Verlängerungen der Fahrtzeit für PKW, bietet dafür viele Vorteile: weniger tödliche Unfälle, weniger Wartezeit an Kreuzungen, Erhöhung der Kapazität der Verkehrsflächen. Zur Beruhigung des Verkehrs fordert der VCÖ die Enfernung aller Verkehrszeichen, die den Vorrang an Kreuzungen regeln. Es soll wieder einheitlich der Rechtsvorrang gelten.

Einbahnstraßen sind problematisch. Falsch ausgelegt, erhöhen und beschleunigen sie den Kfz-Verkehr und behindern gleichzeitig den Radverkehr. Häufig sind fahrraddurchlässige Sperren wie Diagonalsperren, Sackgassensperren mit Fahrrad- und evtl. Busschleuse vorteilhafter. Wegen der starken Umwegeempfindlichkeit der Radfahrer kommt der Freigabe von Einbahnstraßen im Ortsgebiet große Bedeutung in der Förderung des Radverkehrs zu.

Einen Zusammenhang zwischen der Kfz-Verkehrsbelastung und verkehrstechnischen Maßnahmen für den Radverkehr stellt Abb. 4 dar. Ausgehend von den Überlegungen zum Funktionieren des Verkehrs werden nun die entsprechenden technischen Lösungen genauer dargestellt.

Im Mischverkehr ist Radfahren auf besonders breiten (3,75m) oder besonders schmalen (2,8m) rechten Fahrstreifen am komfortabelsten. Bei mittleren Breiten sind riskante Überholmanöver besonders häufig.

Wenn bei einer Ortsdurchfahrt Abschnitte auftreten, an denen zahlreiche Ziele liegen, können mit einem aufgemalten Mehrzweckstreifen in der Straßenmitte möglicherweise mehr Radverkehrskonflikte entschärft werden als mit aufwendigen Maßnahmen am Fahrbahnrand. Schon ab Fahrbahnbreiten von rund 7m innerorts und 7,8m außerorts können durch einen solchen Streifen wesentliche Verbesserungen für Radfahrer erzielt werden. Die Mehrzweckstreifen können in alle Richtungen benutzt werden.

Die Breite von Radfahrstreifen beträgt im Normalfall etwa 1,5m; Breiten unter 1,2m können das Radfahren gefährlicher machen als ohne. Ein markierter Radfahrstreifen neben abgestellten Autos muß etwa 2,0m breit sein und links neben den parkenden Autos geführt werden.

Richtungsradwege funktionieren wie zusätzliche rechte Fahrbahnen. Dementsprechend sollten Anfang und Ende von Radwegen wie Anfang und Ende beliebiger Straßen oder Fahrstreifen gestaltet werden. Fahrbahnbegleitende Zweirichtungs-Radwege werden wegen des extrem hohen Unfallrisikos unbedingt abgelehnt.

Das Radfahren in Fußgängerbereichen wird mit seinen rechtlichen, baulichen und praktischen Aspekten diskutiert. Wichtig ist dem VCÖ, daß die Fußgänger nicht die Verlierer der Konkurrenz um die Verkehrsflächen sind. Dementsprechend lehnt er das Zusammenpferchen von Radfahrern und Fußgängern ab und empfiehlt: "Wo eine Fahrbahn vorhanden ist, sollten Radfahrer nie gezwungen werden, auf dem Gehsteig zu fahren. Unter 'Gehsteig' ist auch ein niveaugleich mit dem Gehweg angelegtes Radweg-Provisorium zu verstehen."

"Um zu ermitteln, wie hoch das Unfallrisiko für Radfahrer auf Radwegen im Vergleich zur Fahrbahn ist, bieten sich zwei Methoden an. Eine ist der Vergleich der Unfalldaten von Straßen mit und ohne Radwegen. Unfalldaten und die Untersuchung von Verkehrskonflikten deuten übereinstimmend darauf hin, daß Radwege das Unfallrisiko erhöhen. Die komfortable bauliche Trennung vom Kfz-Verkehr auf Streckenabschnitten müssen Radfahrer bei Kreuzungen mit einem deutlich erhöhten Unfallrisiko bezahlen." (Abb. 5)

Wird der Radverkehr an Kreuzungen auf einem Radweg geführt, so befinden sich geradeausfahrende Radfahrer rechts von rechtsabbiegenden Autos; eine Situation im Widerspruch zum Rechtsfahrgebot. Zu diesem und verwandten Problemen werden einige Lösungen und Forderungen vorgestellt.

Weitere verkehrstechnische Maßnahmen und ihre Funktion für den Radverkehr werden dargestellt, u.a: die abweisende Radfahrerfurt, der qualifizierte Rechtsabbiegestreifen, abweisende Markierungen als Verflechtungshilfe und Fluchtraum, die Radfahrerweiche, Linksabbiegestreifen für Radfahrer, Linksabbiegestreifen mit reduzierter Breite, die Stau- und Ampelumfahrung für rechts abbiegende Radfahrer.

Broschüre
VCÖ Verkehrsclub Österreich (Hrsg.): Straßen zum Radfahren, Wissenschaft & Verkehr 2/1995, Wien 1995, ISBN 3-901204-03-2, Autor: Wolfgang Rauh

Bezug
VCÖ Verkehrsclub Österreich, Dingelstedtgasse 15, A-1150 Wien, Tel. ++43/1/893 26 97, Fax. ++43/1/893 24 31

Autor(en) dieser Ausgabe: Mattias Doffing.
Der Forschungsdienst Fahrrad des ADFC berichtete bis 1999 14-tägig über Verkehrswissenschaft und Fahrradpolitik. Vielen Dank an die Herausgeber Tilman Bracher und Mattias Doffing und an Elmar Steinbach, der die FDFs ins Internet gebracht hat.

Seit Mitte 1999 ist der Forschungsdienst Fahrrad eingestellt. Er wurde durch den Bicycle Research Report ersetzt, der beim ECF (www.ecf.com) abonniert werden kann. werden kann. European Cyclists' Federation ECF - Rue de Londres 15 (b. 3) - B-1050 Brussels - Phone: +32-2-512 98 27 - Fax: +32-2-511 52 24, e-mail: office@ecf.com


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