TILMAN BRACHER:
RADVERKEHRSFÖRDERUNG DURCH KOMMUNEN: FINANZBEDARF UND FINANZIERUNGSKONZEPTE
Kaum Bundeszuschüsse für den Radverkehr
Wichtigstes Ergebnis: Radverkehrsförderung ist nicht nur eine Aufgabe der Gemeinden. Gemeinden, die den Fahrradverkehr wirksam fördern, benötigen dafür rund 50 DM / Einwohner und Jahr. Weil Radfahrer auf Bundesstraßen fahren und die stärkere Fahrradnutzung Bundesstraßen entlastet, sollten auch Bundesregierung, Länder und die EU den Radverkehr aktiv fördern.
Zum Inhalt: Wenn die Fahrradnutzung gesteigert und die Sicherheit erhöht wird, kann dies Fernverkehr ersetzen, Bundesstraßen entlasten, einen Beitrag zur Verkehrssicherheit leisten und die Umwelt entlasten. Deshalb, so heißt es in meinem auf dem VeloRegio-Kongreß in Troisdorf im März 1995 gehaltenen Beitrag, müssen Gemeinden auch von Bund, Ländern und der EU in die Lage versetzt werden, ihre wichtigen Aufgaben der Radverkehrsförderung zu finanzieren.
Um den Radverkehr wirksam fördern zu können, sollten Gemeinden verschiedene Ausgabenbereiche finanzieren können: Investitionen für Neu- und Umbau von Straßen, kommunale Fahrradparkplätze, Service- und Bike-and-Ride-Angebote mit Betriebs- und Investitionskosten sowie Leit- und Informationssysteme. Dazu gehören jeweils auch laufende Kosten für Unterhalt und Betrieb. Dazu kommen Mittel für Dienststellen der öffentlichen Hand (z.B. Diensträder) und Zuschüsse für Private (z. B. zum Stellplatzbau), sowie Kosten für Koordination, Konzeption und Kompetenzerweiterung (z. B. für einen Fahrradbeauftragten, eine Radwegkommission und die Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern).
Die meisten Gemeinden geben bislang jährlich kaum 5 DM/Einwohner für radverkehrsbezogene Investitionen aus. Anhand einiger Beispielgemeinden zeigt es sich jedoch, daß für wirksame Fahrradförderung über einen Zeitraum von 10- 20 Jahren jährlich Investitionen von mehr als 50 DM/Einwohner erforderlich sind. In einigen Ländern erreichen die Zuschüsse bereits nennenswerte Größenordnungen (vgl. Tabelle im Anhang).
Zwar können Ausgaben für den Radverkehr im Rahmen der bestehenden Haushalte (z.B. aus "Unterhaltungskosten" oder Mitfinanzierung bei Straßenbauvorhaben) oft für kurzfristige und kleinere Maßnahmen mit finanziert werden; die für Radverkehrsförderung zuständige Dienststelle benötigt jedoch für wesentliche, größere und eigenständige Vorhaben, die deutlich über das bisherige Niveau hinaus gehen, einen eigenen Radverkehrsetat.
Angesichts der kritischen Haushaltslage der Gemeinden ist aber auch eine Betrachtung der Einnahmenseite erforderlich. Bei Finanzknappheit ist eine kontinuierliche Finanzierung des Radverkehrs ohne zweckgebundene Einnahmen kaum möglich. Aus Sicht der Gemeinde können dies Zuschüsse sein von Bund, Land und EU (z.B. GVFG), Gebühren (z.B. Parkgebühren von Kfz) und Abgaben (z.B. Stellplatzablöse). Auf Landesebene gibt es zusätzliche Regelungen. In NRW erlaubt z.B. ein vorbildliches Finanzierungssystem auch den Einsatz von Mitteln der Stadterneuerung (vgl. Abb. 4). Die derzeitigen Regeln für EU- und Bundeszuschüsse dagegen erlauben keine umfassende kommunale Radverkehrsförderung.
Weiterhin bestehen einige Möglichkeiten der Privatfinanzierung, z.B. im Rahmen von Sponsoring und für Werbung (Wartehäuschenmodell für Fahrradstellplätze) an, sowie für den Eigenbedarf. Die begrenzten Möglichkeiten der Privatfinanzierung können staatliches Engagement aber nicht ersetzen.
Im Gegensatz zur Förderung des Kfz-Verkehrs und des ÖPNV ist die Radverkehrsförderung für die Gemeinden trotz der geringen Einzelbeträge für Investitionen in der Regel schwieriger als die Förderung von Straßenbau- und ÖV-Investitionen, für die regelmäßig Zuschüsse von Bund, Land und EU verfügbar sind. Vor allem auf Bundesebene besteht noch eine Finanzierungslücke zur Förderung des Radverkehrs.
Vortrag: "Radverkehrsförderung durch Kommunen. Finanzbedarf und Finanzierungskonzepte" von Tilman Bracher. Vortrag auf dem VeloRegio-Kongreß vom 14.-18. März 1995 in Troisdorf. Tagungsband in Vorbereitung.
Anschriften: Tilman Bracher, IVU GmbH, Bundesallee 88, 12161 Berlin, Tel. 030/85906-0. Der Tagungsband wird herausgegeben durch ADFC Nordrhein-Westfalen, Birkenstr. 48, 40233 Düsseldorf.
FDF 259 vom 23.12.95
Anhang
Kosten der Radverkehrsförderung
Art der Kosten Jahr Quelle Betrag Gesamtkosten Investitionskosten 1985 Umweltbundesamt 400 DM / Einwohner "Fahrradfreundliche Stadt" Programm 1989 Stadt Münster 62,2 Mio. DM (257 "Fahrradfreundliche DM / Einwohner) Stadt Münster" Programm 1989- Stadt 357 DM / Einwohner "Fahrradfreundliches 1994 Troisdorf 1995 Troisdorf" Radverkehrskonzept 1990 enfb/niederl. 50 Mio. Gulden (302 Appeldoorn Ministerium DM / Einwohner) für Verkehr und Wasserwirtschaf t 1994 Radverkehrsinvestitionen 1982- 28 Mio. Gulden (252 Delft 1992 DM / Einwohner) Maßnahmenprogramm 1994 Stadt Wien 400 Mio. öS (33 DM Verkehrskonzept Wien / Einwohner) Jahreskosten (Gemeinden) Programm 1990 Stadt Münster 50 DM / Einwohner "Fahrradfreundliche 1990 Stadt Münster" Fahrradförderung Bremen 1995 pedal 1/95 1,60 DM / Einwohner Radverkehrsausgaben 30 1991 Mast 1991 10,25 DM / Einwohner ausgewählter Städte (Umfrage) Investitionen 1991/92 enfb /NMVW 1994 47,65 DM / Stadtverkehr pro Einwohner* Radfahrer in Groningen Veloroutenplan Basel ab 1989 Apel 1993 17,50 DM / Einwohner* Radwegeausgaben 1000 1992 Knoflacher 1994 13 DM / Einwohner österreichischer Gemeinden (Umfrage) ADFC-Förderung für alle 1994 ADFC 50 DM / Einwohner Städte Bundeshauptvers ammlung Budgets von Land und Bund Ausgaben für Radwege an 1983- Trafikministeri 658 Mio. DKK (3,87 Nationalstraßen in 1992 et 1993 DM/Einw./Jahr)* Dänemark Fahrradstellplätze an 1990- Trafikministeri 60 Mio. DKK (0,50 Bahnhöfen in Dänemark 1996 et 1993 DM/Einw./Jahr)* (Budget) Radverkehrsbudget Land 1992-199 Land 65 Mio. DM (8,45 Brandenburg 4 Brandenburg DM/Einw./Jahr)* (nach: Welge, 1995) Radwegebau Land 1978-199 Ministerium 1.376 Mio. DM (5,16 Nordrhein-Westfalen 2 für DM/Einw./Jahr)* Stadtentwicklun g und Verkehr 1994 Ausgaben für Radwege an 1981- BMV, 1.075 Mio. DM Bundesstraßen 1990 Fünfjahresplan (1,76 1986 DM/Einw./Jahr)*
* = eigene Berechnung aus den vorgelegten Daten
Seit Mitte 1999 ist der Forschungsdienst Fahrrad eingestellt. Er wurde durch den Bicycle Research Report ersetzt, der beim ECF (www.ecf.com) abonniert werden kann. werden kann. European Cyclists' Federation ECF - Rue de Londres 15 (b. 3) - B-1050 Brussels - Phone: +32-2-512 98 27 - Fax: +32-2-511 52 24, e-mail: office@ecf.com
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