ADFC FDF-Archiv

ForschungsDienst Fahrrad


FDF 259 - 23.12.1995

TILMAN BRACHER:

RADVERKEHRSFÖRDERUNG DURCH KOMMUNEN: FINANZBEDARF UND FINANZIERUNGSKONZEPTE

Kaum Bundeszuschüsse für den Radverkehr

Wichtigstes Ergebnis: Radverkehrsförderung ist nicht nur eine Aufgabe der Gemeinden. Gemeinden, die den Fahrradverkehr wirksam fördern, benötigen dafür rund 50 DM / Einwohner und Jahr. Weil Radfahrer auf Bundesstraßen fahren und die stärkere Fahrradnutzung Bundesstraßen entlastet, sollten auch Bundesregierung, Länder und die EU den Radverkehr aktiv fördern.

Zum Inhalt: Wenn die Fahrradnutzung gesteigert und die Sicherheit erhöht wird, kann dies Fernverkehr ersetzen, Bundesstraßen entlasten, einen Beitrag zur Verkehrssicherheit leisten und die Umwelt entlasten. Deshalb, so heißt es in meinem auf dem VeloRegio-Kongreß in Troisdorf im März 1995 gehaltenen Beitrag, müssen Gemeinden auch von Bund, Ländern und der EU in die Lage versetzt werden, ihre wichtigen Aufgaben der Radverkehrsförderung zu finanzieren.

Um den Radverkehr wirksam fördern zu können, sollten Gemeinden verschiedene Ausgabenbereiche finanzieren können: Investitionen für Neu- und Umbau von Straßen, kommunale Fahrradparkplätze, Service- und Bike-and-Ride-Angebote mit Betriebs- und Investitionskosten sowie Leit- und Informationssysteme. Dazu gehören jeweils auch laufende Kosten für Unterhalt und Betrieb. Dazu kommen Mittel für Dienststellen der öffentlichen Hand (z.B. Diensträder) und Zuschüsse für Private (z. B. zum Stellplatzbau), sowie Kosten für Koordination, Konzeption und Kompetenzerweiterung (z. B. für einen Fahrradbeauftragten, eine Radwegkommission und die Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern).

Die meisten Gemeinden geben bislang jährlich kaum 5 DM/Einwohner für radverkehrsbezogene Investitionen aus. Anhand einiger Beispielgemeinden zeigt es sich jedoch, daß für wirksame Fahrradförderung über einen Zeitraum von 10- 20 Jahren jährlich Investitionen von mehr als 50 DM/Einwohner erforderlich sind. In einigen Ländern erreichen die Zuschüsse bereits nennenswerte Größenordnungen (vgl. Tabelle im Anhang).

Zwar können Ausgaben für den Radverkehr im Rahmen der bestehenden Haushalte (z.B. aus "Unterhaltungskosten" oder Mitfinanzierung bei Straßenbauvorhaben) oft für kurzfristige und kleinere Maßnahmen mit finanziert werden; die für Radverkehrsförderung zuständige Dienststelle benötigt jedoch für wesentliche, größere und eigenständige Vorhaben, die deutlich über das bisherige Niveau hinaus gehen, einen eigenen Radverkehrsetat.

Angesichts der kritischen Haushaltslage der Gemeinden ist aber auch eine Betrachtung der Einnahmenseite erforderlich. Bei Finanzknappheit ist eine kontinuierliche Finanzierung des Radverkehrs ohne zweckgebundene Einnahmen kaum möglich. Aus Sicht der Gemeinde können dies Zuschüsse sein von Bund, Land und EU (z.B. GVFG), Gebühren (z.B. Parkgebühren von Kfz) und Abgaben (z.B. Stellplatzablöse). Auf Landesebene gibt es zusätzliche Regelungen. In NRW erlaubt z.B. ein vorbildliches Finanzierungssystem auch den Einsatz von Mitteln der Stadterneuerung (vgl. Abb. 4). Die derzeitigen Regeln für EU- und Bundeszuschüsse dagegen erlauben keine umfassende kommunale Radverkehrsförderung.

Weiterhin bestehen einige Möglichkeiten der Privatfinanzierung, z.B. im Rahmen von Sponsoring und für Werbung (Wartehäuschenmodell für Fahrradstellplätze) an, sowie für den Eigenbedarf. Die begrenzten Möglichkeiten der Privatfinanzierung können staatliches Engagement aber nicht ersetzen.

Im Gegensatz zur Förderung des Kfz-Verkehrs und des ÖPNV ist die Radverkehrsförderung für die Gemeinden trotz der geringen Einzelbeträge für Investitionen in der Regel schwieriger als die Förderung von Straßenbau- und ÖV-Investitionen, für die regelmäßig Zuschüsse von Bund, Land und EU verfügbar sind. Vor allem auf Bundesebene besteht noch eine Finanzierungslücke zur Förderung des Radverkehrs.

Vortrag: "Radverkehrsförderung durch Kommunen. Finanzbedarf und Finanzierungskonzepte" von Tilman Bracher. Vortrag auf dem VeloRegio-Kongreß vom 14.-18. März 1995 in Troisdorf. Tagungsband in Vorbereitung.

Anschriften: Tilman Bracher, IVU GmbH, Bundesallee 88, 12161 Berlin, Tel. 030/85906-0. Der Tagungsband wird herausgegeben durch ADFC Nordrhein-Westfalen, Birkenstr. 48, 40233 Düsseldorf.

FDF 259 vom 23.12.95

Anhang

Kosten der Radverkehrsförderung

     Art der Kosten        Jahr      Quelle           Betrag                

                              Gesamtkosten                                         

   Investitionskosten      1985      Umweltbundesamt  400 DM / Einwohner    
   "Fahrradfreundliche                                                      
         Stadt"                                                             
        Programm           1989      Stadt Münster    62,2 Mio. DM (257     
   "Fahrradfreundliche                                DM / Einwohner)       
     Stadt Münster"                                                         
        Programm           1989-     Stadt            357 DM / Einwohner    
  "Fahrradfreundliches     1994      Troisdorf 1995                         
       Troisdorf"                                                           
   Radverkehrskonzept      1990      enfb/niederl.    50 Mio. Gulden (302   
       Appeldoorn                    Ministerium      DM / Einwohner)       
                                     für Verkehr                            
                                     und                                    
                                     Wasserwirtschaf                        
                                     t 1994                                 
Radverkehrsinvestitionen   1982-                      28 Mio. Gulden (252   
          Delft            1992                       DM / Einwohner)       
    Maßnahmenprogramm      1994      Stadt Wien       400 Mio. öS (33 DM    
  Verkehrskonzept Wien                                / Einwohner)          

                        Jahreskosten (Gemeinden)                                   

        Programm           1990      Stadt Münster    50 DM / Einwohner     
   "Fahrradfreundliche               1990                                   
     Stadt Münster"                                                         
 Fahrradförderung Bremen   1995      pedal 1/95       1,60 DM / Einwohner   
 Radverkehrsausgaben 30    1991      Mast 1991        10,25 DM / Einwohner  
   ausgewählter Städte                                                      
        (Umfrage)                                                           
      Investitionen        1991/92   enfb /NMVW 1994  47,65 DM /            
    Stadtverkehr pro                                  Einwohner*            
 Radfahrer in Groningen                                                     
  Veloroutenplan Basel     ab 1989   Apel 1993        17,50 DM /            
                                                      Einwohner*            
Radwegeausgaben 1000         1992    Knoflacher 1994  13 DM / Einwohner     
österreichischer                                                            
Gemeinden  (Umfrage)                                                        
 ADFC-Förderung für alle     1994    ADFC             50 DM / Einwohner     
         Städte                      Bundeshauptvers                        
                                     ammlung                                

                       Budgets von Land und Bund                                   

 Ausgaben für Radwege an   1983-     Trafikministeri  658 Mio. DKK  (3,87   
   Nationalstraßen in      1992      et 1993          DM/Einw./Jahr)*       
        Dänemark                                                            
  Fahrradstellplätze an    1990-     Trafikministeri  60 Mio. DKK  (0,50    
  Bahnhöfen in Dänemark    1996      et 1993          DM/Einw./Jahr)*       
                           (Budget)                                         
 Radverkehrsbudget Land    1992-199  Land             65 Mio. DM (8,45      
       Brandenburg         4         Brandenburg      DM/Einw./Jahr)*       
                                     (nach: Welge,                          
                                     1995)                                  
     Radwegebau Land       1978-199  Ministerium      1.376 Mio. DM (5,16   
   Nordrhein-Westfalen     2         für              DM/Einw./Jahr)*       
                                     Stadtentwicklun                        
                                     g und Verkehr                          
                                     1994                                   
 Ausgaben für Radwege an   1981-     BMV,             1.075 Mio. DM         
      Bundesstraßen        1990      Fünfjahresplan   (1,76                 
                                     1986             DM/Einw./Jahr)*       

* = eigene Berechnung aus den vorgelegten Daten


Der Forschungsdienst Fahrrad des ADFC berichtete bis 1999 14-tägig über Verkehrswissenschaft und Fahrradpolitik. Vielen Dank an die Herausgeber Tilman Bracher und Mattias Doffing und an Elmar Steinbach, der die FDFs ins Internet gebracht hat.

Seit Mitte 1999 ist der Forschungsdienst Fahrrad eingestellt. Er wurde durch den Bicycle Research Report ersetzt, der beim ECF (www.ecf.com) abonniert werden kann. werden kann. European Cyclists' Federation ECF - Rue de Londres 15 (b. 3) - B-1050 Brussels - Phone: +32-2-512 98 27 - Fax: +32-2-511 52 24, e-mail: office@ecf.com


Webtechnik: Heiner.Schorn@informatik.umu.se   FDF-HomePage http://www-2.informatik.umu.se/adfc/fdf/