ADFC FDF-Archiv

ForschungsDienst Fahrrad


FDF 252 - 17.09.1995

FORSCHUNGSGESELLSCHAFT FÜR STRASSEN- UND VERKEHRSWESEN FGSV:

EMPFEHLUNGEN FÜR RADVERKEHRSANLAGEN ERA 95

Neue ERA bietet Chancen für fahrradfreundliche Ära

Wichtigstes Ergebnis: Anspruch der ERA 95 ist "ausführlicher Wegweiser zu einem guten Radverkehrsnetz". Zur Führung und Förderung des Radverkehrs werden u. a. Radfahrstreifen, Angebotsstreifen, Fahrradstraßen, die Mitnutzung von Busfahrstreifen, Radwege, Radverkehr in der Gegenrichtung von Einbahnstraßen, Radfahrerschleusen, aufgeweitete Radaufstellstreifen und Radfahrerweichen empfohlen.

Zum Inhalt: Daß Verkehrsnetz ist so zu planen, daß Radfahrer sicher, bequem und möglichst direkt (umwegfrei) fahren zu können - auf Radwegen, den übrigen Straßen und anderen Wegen. Städtische Hauptverkehrsstraßen und ländliche Ortsdurchfahrten sind in der Regel auch Hauptverbindungen für den Radverkehr. Dabei sind die unterschiedlichen Ansprüche von Radfahrern zu beachten. So sind z.B. vor allem für Kinder und Frauen sozial sichere Radverkehrsverbindungen erforderlich, wo sie sich bei Dunkelheit (Angst vor tätlichen Übergriffen) sicher fühlen können.

Die geeignete Radverkehrsführung einer Straße hängt von mehreren Kriterien ab: Verkehrsstärke und Geschwindigkeit des Kfz-Verkehrs (Tab. 1), die verfügbare Fläche (vgl. Tab. 2 und 3), daß, Radfahrer an Knoten eindeutig und verkehrssicher geführt werden, sowie Umfeld, Stärke und Zusammensetzung des Radverkehrs, Problem- und Engstellen, Längsneigung, Bus- oder Straßenbahn, ortsbezogene Faktoren und Unfallgeschehen.

Im Mischverkehr auf der Fahrbahn sollen Radfahrer auf Straßen mit bis zu 10.000 Kfz/Tag fahren (wenn z.B. nicht schnell gefahren wird, auch bei höheren Kfz-Belastungen), vor allem auf Erschließungsstraßen. Falls erforderlich, soll baulich erreicht werden, daß der Kfz-Verkehr angemessene Geschwindigkeit einhält (V85>=30 km/h). Anliegerfahrbahnen eignen sich zum Radfahren im Mischverkehr, wenn die Knotenpunkte besonders gesichert werden (Bild 53).

Radfahrstreifen neben Kfz-Fahrstreifen bieten gute Sichtbeziehungen sowie eine klare Trennung von Fußgängerverkehr. Ihre Regelbreite beträgt 1,60 m (+ Markierung). Sie sollen normalerweise links neben den Parkständen des Kfz-Verkehrs angeordnet werden. (Bild 7).

Straßenbegleitende Radwege erfordern, daß genügend Platz für die Fußgänger verbleibt und eine sichere, akzeptable Knotenpunktgestaltung. Für Einrichtungsradwege sind bei mittlerer bis hoher Nutzungsintensität des Seitenraums oder starker Radverkehrsbelastung 2,00 m erforderlich, sonst mindestens 1,60 m; Zweirichtungsradwege erfordern 2,50 m bis 3,00 m Breite. Rechts und links von Radwegen sollten 25 cm von Einbauten (z.B. Verkehrszeichen) freigehalten werden. Zu angrenzenden Fahrbahnen oder Parkstreifen benötigen straßenbegleitende Radwege Schutzstreifen von 0,50 m (bei angrenzender Fahrbahn), 0,75 m (bei angrenzendem Längsparken) bzw. 1,10 m Breite (bei Schräg- und Senkrechtparkständen).

Gemeinsame Geh- und Radwege (mit Fußgängern auf Gehwegen) sind innerorts nur noch bei geringem Rad- und Fußgängerverkehr und geringer Nutzungsintensität des Seitenraums z.B. in ländlichen Ortsdurchfahrten zulässig. Ihre Breite beträgt 2,50 m bis 3,00 m. Auch die Lösung "Gehweg - Radfahrer frei" (sie bietet für Radfahrer Wahlmöglichkeit zwischen Fahrbahn und Gehweg, auf dem Gehweg gilt Schrittgeschwindigkeit) kommt nur bei wenig Fußgängern infrage.

Angebotsstreifen, sonst "Radspur", "Suggestivstreifen" oder "Schutzstreifen" genannt, sind durch Leitlinien abmarkierte Bereiche der Fahrbahn. Sie werden empfohlen, wenn die Fahrbahnbreite für Radfahrstreifen nicht ausreicht und die "Restfahrbahnbreite" (zusammen für beide Richtungen) 4,50 m beträgt (Bild 6). Angebotsstreifen selbst sind 1,60 m - ausnahmsweise mindestens 1,25 m - breit.

Hauptverbindungen des Radverkehrs können als Fahrradstraßen ausgewiesen werden (Bild 66). Auf ihnen haben Radfahrer Vorrang; sie dürfen Nebeneinanderfahren. Kraftfahrzeuge müssen durch Zusatzschild zugelassen werden. Fahrradstraßen sollen im Zuge von Erschließungsstraßen angelegt werden, auf denen der Fahrradverkehr die vorherrschende Verkehrsart ist bzw. "alsbald zu erwarten" ist. Um einen gleichmäßigen Verkehrsfluß und hohe Reisegeschwindigkeiten zu ermöglichen, sollen Fahrradstraßen Vorfahrt gegenüber anderen Erschließungsstraßen erhalten.

Knotenpunkte sind besonders gefährlich, weil sich Kraftfahrzeug- und Radverkehr dort kreuzen und verflechten. Deshalb sind dort Sichtfelder freizuhalten (Bild 54). Je nach örtlichen Verhältnissen muß die Radverkehrsführung zwischen angrenzenden Streckenabschnitten und dem Knotenbereich wechseln. Für Knotenpunkte mit abknickender Vorfahrt werden Radfahrweichen empfohlen, damit rechts abbiegende Kraftfahrzeuge langsamer fahren (Bild 52). Nichtabgesetzte Radfahrerfurten sind sicherer als abgesetzten Furten (Bild 45, 46).

Zum Einordnen auf Richtungsfahrstreifen werden Radfahrerschleusen (Bild 42, 43) empfohlen. Für Knotenpunkte mit Lichtsignalanlagen werden für gering belastete Zufahrten aufgeweitete Radaufstellstreifen empfohlen (Bild 44). Nicht signalisierte Rechtsabbiegefahrbahnen mit Dreiecksinsel sollten wegen der Gefahren innerorts nicht mehr angelegt werden. Während große, mehrstreifige Kreisverkehrsplätze für Radfahrer besonders unfallträchtig sind, werden kleine, einstreifige Kreisverkehrsplätze empfohlen, wenn Radfahrer dort im Mischverkehr auf der Fahrbahn geführt werden und kein Radweg angelegt wird (Bild 49).

Weitere Empfehlungen betreffen die Zulassung von Radverkehr in Gegenrichtung zu Einbahnstraßen, die Mitbenutzung von Busfahrstreifen, die Führung durch Fußgängerbereiche, und selbständig geführt Radwege. Außerdem enthalten die ERA 95 bautechnische Hinweise und Empfehlungen zu Unterhaltung und Winterdienst, zur ortsfesten Beleuchtung und zu Fahrradabstellanlagen.

Die Fahrradwegweisung soll als in sich geschlossenes System Radfahrern die günstigsten Routen weisen. Pfeil-, Tabellen- und Zwischenwegweiser (Bild 83) sollen Zielangabe und Entfernung enthalten. Von der allgemeinen Wegweisung der StVO für den Kraftfahrzeugverkehr soll sich die Fahrradwegweisung durch Farbgebung (z.B. grüne Schrift und Sinnbilder auf weißer Grundfarbe) deutlich unterscheiden.

Empfehlungen: "Empfehlungen für Radverkehrsanlagen ERA 95", hg. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen FGSV, AG Straßenentwurf, Bd. 284. Sowie: "Radverkehrsanlagen. Einführung zu den Empfehlungen für Radverkehrsanlagen" von D. Alrutz, Hg. Beratungsstelle für Schadenverhütung, Verband der Schadenversicherer e.V. VdS, Köln 1995.

Bezug/Anschrift: FGSV, Konrad-Adenauer-Str. 13, 50996 Köln, Tel. 0221/397035, Fax. 0221 / 393747 (DM 58, FGSV-Mitglieder DM 38,70); Beratungsstelle VdS, Ebertplatz 2, 50668 Köln, Tel. 0221/16024-0; Fax. 16024-49 (Einführung kostenlos).

Bearbeitung: Erstentwurf Dipl.-Ing. D. Alrutz, Hannover; Dipl.-Ing W. Angenendt, Bocholt; und Dr.-Ing. W. Draeger, Bonn. Die Empfehlungen wurden von der Beratungsstelle für Schadenverhütung des Verbandes der Schadenversicherer e.V. - VdS in Köln mit einem Arbeitskreis beraten, dem zusätzlich angehörten: Dr.-Ing. P. Ambrosius, Bochum; Dipl.-Volksw. T. Bracher, Berlin; Ltd. Reg.-Dir. Dipl.-Ing. G. Hartkopf, Bergisch Gladbach; Dipl.-Ing. H. Hülsen, Köln; Dr.-Ing. V. Meewes, Köln; Dr.-Ing. K. Pfundt, Köln und in Abstimmung mit der AG Radverkehr des Bund-Länder-Fachausschusses für den Straßenverkehr und die Verkehrspolizei (Leitung Ltd. MinRat Dr. W. Bouska) bis zur Endfassung weiterentwickelt.

FDF 252 vom 17.9.95


Der Forschungsdienst Fahrrad des ADFC berichtete bis 1999 14-tägig über Verkehrswissenschaft und Fahrradpolitik. Vielen Dank an die Herausgeber Tilman Bracher und Mattias Doffing und an Elmar Steinbach, der die FDFs ins Internet gebracht hat.

Seit Mitte 1999 ist der Forschungsdienst Fahrrad eingestellt. Er wurde durch den Bicycle Research Report ersetzt, der beim ECF (www.ecf.com) abonniert werden kann. werden kann. European Cyclists' Federation ECF - Rue de Londres 15 (b. 3) - B-1050 Brussels - Phone: +32-2-512 98 27 - Fax: +32-2-511 52 24, e-mail: office@ecf.com


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