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ForschungsDienst Fahrrad


FDF 237 - 18.02.1995

MAGISTRAT DER STADT WIEN
VERKEHRSKONZEPT WIEN. GENERELLES MASSNAHMENPROGRAMM

Wien beschließt Verringerung der Autonutzung und Verdoppelung des Radverkehrs

Wichtigstes Ergebnis: Das Wiener Verkehrskonzept sieht vor, das Angebot im öffentlichen Verkehr deutlich zu verbessern, bessere Verkehrs- und Lebensbedingungen für Fußgänger, Radfahrer und behinderte Menschen und ein umfassendes Konzept für den ruhenden Verkehr. Zur Finanzierung der insgesamt benötigten 90 Mrd Schilling (13 Mrd DM) soll etwa ab dem Jahr 2000 ein "Mautsystem" eingeführt werden.

Zum Inhalt: Das vom Wiener Gemeinderat am 15. April 1994 beschlossene Maßnahmenprogramm zum neuen Wiener Verkehrskonzept ist der Handlungsrahmen für Politik, Verwaltung und Planung. Tragende Säulen sind eine deutliche verbessertes Angebot im öffentlichen Verkehr, eine Verbesserung der Verkehrs- und Lebensbedingungen für Fußgänger, Radfahrer und behinderte Menschen und ein umfassendes Konzept für den ruhenden Verkehr. Der notwendige Teil des Wirtschafts- und Individualverkehrs soll weiterhin flüssig abgewickelt werden.

Noch 1990 wurden in Wien 37% aller Wege mit privaten Kraftfahrzeugen, 37% im öffentlichen Verkehr, 23% zu Fuß und nur 3% mit dem Fahrrad zurückgelegt. Von den jährlich 3 Millionen Besuchern Wiens kommen 40% mit dem Flugzeug, 29% mit privaten Kraftfahrzeugen, 19% mit der Bahn, 12% mit dem Bus und nur 1-2% mit Fahrrad oder Schiff. Ziel des Wiener Verkehrskonzeptes für 2010 sind unter anderem ein Rückgang des Anteils des privaten Kraftfahrerkehrs auf 25% und die Verdoppelung des Radverkehrs.

Damit sich der Fahrradanteil in den nächsten 10 Jahren mindestens verdoppelt, sollen Hauptrouten für Radfahrer mit hohem Komfort ausgebaut werden, das Netz verdichtet, die Fläche im Mischverkehr mit Kfz bei flächenhafter Verkehrsberuhigung und Tempo 30 erschlossen, die objektive und subjektive Verkehrssicherheit erhöht und ein fahrradfreundliches Klima geschaffen werden.

Baulich getrennte Radwege sollen auf Straßen mit mehr als 10.000 Kfz/Tag und Richtung angelegt werden, und an besonderen Gefahrenstellen. Dies darf allerdings nicht auf Kosten der Gehwege und Gehsteige gehen oder zur Gefährdung der Fußgänger führen. Damit Radfahrer auch die Fahrbahn benutzen dürfen, soll die Radwegebenutzungspflicht aufgehoben werden. Für weniger befahrene Hauptverkehrsstraßen sind Radfahrstreifen oder Mehrzweckstreifen vorgesehen. Zu einem fahrradfreundlichen Klima sollen unter anderem komfortable und gesicherte Parkplätze an Ziel und Quellen beitragen. Fahrradparkplätze sollen an S- und U-Bahn-Stationen und an den wichtigsten Tram- und Busstationen geschaffen werden; gesicherte Bike- und Ride-Anlagen an wichtigen S- /U-Bahn-Stationen. Außerdem soll die Fahrradmitnahme auch in Bussen und Straßenbahnen (Niederflur) in Schwachlastzeiten eingeführt werden. Für den Fahrradverkehr sind Investitionen in Höhe von 400 Mio S vorgesehen.

Ein Schwerpunkt der Maßnahmen ist die Aufwertung des öffentlichen Straßenraums, der seine dominierende Funktion als privater Autoparkplatz verlieren soll. Vorgesehen sind Fußgängerzonen, autofreie Zonen und breite Gehwege, die ein Nebeneinander von verschiedenen Funktionen zum Beispiel in Einkaufsstraßen ermöglichen.

Für Fußgänger, der "stadtverträglichsten Verkehrsart", soll ein "Flaniernetz" entstehen mit attraktiven Verbindungen zwischen historischen Plätzen und über die Hauptstraßen. Fußwege sollen nach dem Prinzip des kürzesten Wegs angelegt werden. Für Fußgänger ist ein Beleuchtungskonzept und eine Anpassung an die Bedürfnisse der Behinderten geplant. Querungshilfen sollen baulich errichtet werden (z.B. Gehwegvorstreckungen). Lifts, Steigungshilfen an Unter- und Überführungen und U-Bahnstationen und "Alles-Grün"-Verkehrsampeln sollen an Kreuzungen mit hoher Fußgängernutzung eingerichtet werden. Der Wirtschaftsverkehr soll unter anderem von verkehrsberuhigten Geschäftsstraßen profitieren, bei denen breite Gehwege auch Platz zum Be- und Entladen bieten.

Zum Straßennetz verweist das Magistratsprogramm einerseits darauf, daß eine Auswertung den Werten der Bevölkerung widerspricht. Andererseits legt sich das Maßnahmenprogramm mit einer weiteren Donauquerung und Südumfahrung für den Autoverkehr nicht eindeutig fest. Elektronische Leitsysteme und Lenkungsmaßnahmen werden als "Staumanagement" zurückgewiesen.

Weil die absehbaren Einnahmen zur Finanzierung der für das gesamte Konzept benötigten 90 Mrd S bei weitem nicht ausreichen, hat der Wiener Magistrat beschlossen, bis etwa zum Jahr 2000 ein "Mautsystem" für Kfz einzuführen.


Der Forschungsdienst Fahrrad des ADFC berichtete bis 1999 14-tägig über Verkehrswissenschaft und Fahrradpolitik. Vielen Dank an die Herausgeber Tilman Bracher und Mattias Doffing und an Elmar Steinbach, der die FDFs ins Internet gebracht hat.

Seit Mitte 1999 ist der Forschungsdienst Fahrrad eingestellt. Er wurde durch den Bicycle Research Report ersetzt, der beim ECF (www.ecf.com) abonniert werden kann. werden kann. European Cyclists' Federation ECF - Rue de Londres 15 (b. 3) - B-1050 Brussels - Phone: +32-2-512 98 27 - Fax: +32-2-511 52 24, e-mail: office@ecf.com


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