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ForschungsDienst Fahrrad


FDF 236 - 04.02.1995

JÜRGEN GRANDEL / CARL-FRIEDRICH MÜLLER:

UNTERSUCHUNG ZUM UNFALLGESCHEHEN MIT FAHRRÄDERN

Radfahrerunfälle meistens an Kreuzungen und Einmündungen

60% der Lkw-/Fahrrad-Unfälle wegen "totem Winkel"

Wichtigstes Ergebnis: Pkw-Fahrer sind an den meisten Unfällen von Radfahrern beteiligt; die schwersten Folgen jedoch haben Unfälle mit Lkw. Eine Unfallstudie der DEKRA belegt, daß Autofahrer rund 60% ihrer Unfälle mit Radfahrern "hauptsächlich" selbst verursacht haben und Radwege alleine keinen Sicherheitsgewinn bringen.

Zum Inhalt: In einer Untersuchung zum Unfallgeschehen mit Fahrrädern haben Jürgen Grandel und Carl-Friedrich Müller von der DEKRA die amtliche bundesweite Unfallstatistik ausgewertet. Die Daten werden unter Vorbehalt betrachtet. Weil viele Unfälle nicht gemeldet werden und die Meldung durch Polizeibeamte geschieht, die keine ausgebildeten Unfallsachverständigen sind, bestehen eine hohe Dunkelziffer und Ungenauigkeit.

In den alten Bundesländern hat sich der Anteil der Radfahrer an allen Unfällen von 1970 - 1992 von 7,7 % auf 15,7 % verdoppelt (Bild 2), aber auch der Fahrradbestand hat deutlich zugenommen. Während immer mehr Radfahrer verunglücken (Bild 3), nimmt die Zahl der getöteten Radfahrer seit 1980 ab (Bild 4). In den neuen Bundesländern dagegen, wo die Unfälle allgemein besonders zugenommen hatten, nahmen auch die Radfahrerunfälle erheblich zu.

Unfallgegner der meisten Unfälle mit Personenschaden sind Pkw; darauf folgen Alleinunfälle, Unfälle mit anderen Fahrradfahrern und Unfälle mit Lkw (Bild 10). Unfälle mit Lkw verlaufen besonders häufig tödlich (26% aller getöteten Radfahrer - Bild 13). 17% aller getöteten Radfahrer hatten einen "Alleinunfall".

Radfahrer selbst wurden nur bei rund jedem dritten Unfall mit Pkw oder Lkw als "Hauptverursacher" registriert. Bei den wenigen Unfällen mit Fußgängern (ca. 5% aller Unfälle) liegt dagegen die Schuld in zwei von drei Fällen bei den Radfahrern (Bild 14).

Die beiden wichtigsten Unfallgruppen der Pkw- und Lkw-Unfälle, die etwa 75% der für Radfahrer tödlichen Unfälle abdecken, wurden zusätzlich anhand von je 100 Unfallgutachten der DEKRA, die besonders bei schweren Unfällen erstellt werden, aus den Jahren 1988 bis 1993 analysiert.

Unfallschwerpunkt von Lkw/Fahrrad-Unfällen sind Kreuzungen und Einmündungen (Bild 22). Opfer sind meistens Kinder und Jugendliche (Bild 26). Bei 45% dieser Unfälle wurden Radfahrer vom Lkw überrollt (Hauptverletzung). Häufigste Unfalltypen waren "kreuzender Radfahrer" (ohne Vorfahrt) und "rechtsabbiegender Lkw". Auf Straßen mit Radwegen war der Anteil von Abbiegeunfällen mit Lkw überproportional hoch; allerdings waren die Lkw-/Radfahrer-Unfälle auf Straßen mit Radwegen weniger schwer als auf Straßen ohne Radweg.

Wichtigste Ursachen der Lkw-Fahrer waren Fehler beim Rechtsabbiegen, Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit und mangelnder Sicherheitsabstand beim Überholen (Bild 31). Bei 60% der Unfälle spielte auch eine Sichtbehinderung durch den "toten Winkel" eine Rolle. Häufigster Fahrfehler von Radfahrern war die Vorfahrtsmißachtung (Bild 30).

Auch zur Mehrzahl aller Pkw/Fahrrad-Unfälle kommt es an Kreuzungen und Einmündungen (Bild 40). Opfer sind vor allem Kinder, Jugendliche und Senioren. Bei den Pkw-Fahrern wurden hauptsächlich Geschwindigkeitsdelikte (Bild 48), bei Radfahrern Vorfahrtmißachtung als Fehlverhalten ermittelt.

Der häufigste Unfalltyp steht im Zusammenhang mit der Benutzung von Rad-oder Gehwegen: 23% aller Unfälle hatten "kreuzende oder einfahrende Radfahrer von einem parallelen Rad- oder Gehweg". Radwege waren bei jedem dritten der untersuchten Unfälle vorhanden.

Obwohl die meisten Radfahrerunfälle von Pkw- und Lkw-Führern verursacht wurden, empfehlen die DEKRA-Gutachter zur Steigerung der Verkehrssicherheit nur radfahrerbezogene Maßnahmen. Neben Verkehrserziehung, Verkehrsüberwachung und Sicherheitsausrüstung insbesondere sichere und möglichst attraktive Radwege. Da Radwege nach der DEKRA-Studie alleine noch keinen ausreichenden Schutz vor Unfällen bieten, müssen die Berührungspunkte zwischen Fahrrad und Kfz-Verkehr besonders sorgfältig geplant werden.

Untersuchung: "Untersuchung zum Unfallgeschehen mit Fahrrädern", von Jürgen Grundel und Carl-Friedrich Müller, DEKRA-Fachschrift, DEKRA-Fachschriftenreihe 47/94, Stuttgart 1994, ISSN 0721-7315.

Anschrift: Dipl.-Ing. Jürgen Grandel, Leiter der DEKRA-Unfallforschung, Dipl.-Phys. Carl-Friedrich Müller, DEKRA-Unfallforschung, DEKRA AG, Schultze-Delitsch-Str. 49, 70565 Stuttgart, Tel. 0711/7861-0; Fax. 0711/7861-2700.


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