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ForschungsDienst Fahrrad


FDF 232 - 10.12.1994

MARIEN G. BAKKER: DER VERKEHRSPLAN DES MINISTERIUMS FÜR VERKEHR UND WASSERWIRTSCHAFT IN DEN HAAG

Betrieblicher Fahrradplan bringt Autofahrer aufs Rad

Wichtigstes Ergebnis: Um den erwarteten Zuwachs an Autoverkehr zu reduzieren, sollen die niederländischen Betriebe den Berufsverkehr ihrer Mitarbeiter organisieren. Das Verkehrsministerium hat mit einem Verkehrsplan für die eigenen Beschäftigten erreicht, daß nach einem Jahr 30% der Autoalleinfahrer auf öffentliche Verkehrsmittel (ÖV), Fahrräder und Mitfahrgemeinschaften umgestiegen waren.

Zum Inhalt: Um den erwarteten Zuwachs an Autoverkehr zu verringern, sollen die niederländischen Betriebe Verkehrspläne aufstellen, um die eigene Erreichbarkeit zu fördern und die Umwelt vom Autoverkehr ihrer Berufspendler zu entlasten.

Um deutlich zu machen, daß das Ministerium für Verkehr diese Politik selbst ernst nimmt, hat es für die eigenen Beschäftigten einen solchen Verkehrsplan aufgestellt und umgesetzt. So sollten auch die Mitarbeiter am eigenen Leibe erfahren, mit welchen Schwierigkeiten Betriebe dabei rechnen müssen.

In einer Machbarkeitsstudie hat zunächst ein externes Gutachterbüro durch Befragung ermittelt, daß 31% der Mitarbeiter am Hauptsitz Den Haag alleine im Auto zur Arbeit kamen und dabei jährlich 5 Mio. Km im Auto zurücklegten. 27% der Autoalleinfahrer erklärten sich bereit, ihr Verkehrsmittel zu wechseln.

Auf dieser Basis wurde das Ziel gesetzt, die Autonutzung im Berufspendlerverkehr um 30% zu reduzieren. Um Mitarbeiter zum Umsteigen zu bewegen, wurde ein Aktionsplan mit 23 Aktionen aufgestellt (Anlage 1); außerdem wurden eine Anlaufstelle eingerichtet, ein Verkehrskoordinator und ein Projektteam benannt, und Möglichkeiten zur Kommunikation geschaffen.

Die Aktionen wurden vier Phasen zugeordnet: In Phase 1 Loslösen sollten Autoalleinfahrer durch eine telefonische Umfrage, eine Aktionswoche und das Vorbild des Managements dazu "wachgerüttelt" werden, ihr Gewohnheitsverhalten zu ändern. In Phase 2 sollten Broschüren und die Anlaufstelle die Umsteigebereiten auf Alternativen neugierig machen. In Phase 3 Experimentieren konnten Beschäftigte eine kostenlose Wochenkarte für öffentliche Verkehrsmittel, eine "Fahrradwoche" oder einen Monat lang Fahrgemeinschaften ausprobieren. In der Phase 4 Stabilisieren/Formalisieren sollte die neue Gewohnheit gefestigt werden.

Mittlerweile kann jeder Mitarbeiter des Ministeriums am Fahrradplan, am ÖV-Plan oder an einer Fahrgemeinschaft (car-pooling-Plan) teilnehmen. Fahrradabstellanlagen wurden eingerichtet, "carpool"-Parkplätze für Mitfahrgemeinschaften reserviert, günstige ÖV-Jahreskarten ausgegeben und andere Anreize geschaffen.

Beim Fahrradplan können Beschäftigte wählen, ob sie (a) ein Dienstfahrrad, oder (b) ein "fietspaket", das aus einem Abo für eine Fahrradabstellmöglichkeit bei der niederländischen Eisenbahn, Gutscheine für Fahrradinstandhaltung und / oder Streifenkarten für die ÖV-Benutzung bei schlechtem Wetter, oder (c) ein eigenes Fahrrad erhalten wollen, das allerdings abgezahlt werden muß.

Eine Nachheruntersuchung zeigt, daß am Standort Den Haag 30% der ehemaligen Autoalleinfahrer umgestiegen sind und 26% weniger Autokilometer verursachen. Als zu Beginn des Projekts zunächst nur für den öffentlichen Verkehr geworben wurde, stiegen Autoalleinfahrer, aber auch Radfahrer, auf öffentliche Verkehrsmittel um. Nach Einführung des Fahrradplans kamen dann vor allem Berufspendler aus Entfernungen zwischen 5 und 10 km zum Fahrrad. 16% der Nutzer des Fahrradplans benutzten zuvor das eigene Auto, 29% fuhr und fährt auch jetzt noch mit dem Zug, und 4% benutzten den städtischen ÖV.

Für die Aktionen des Verkehrsplans wurden vom Ministerium für 2 Jahre 2,1 Mio. Gulden ausgegeben. Das ergibt im Mittel etwa 70 Cent (0,63 DM) im Jahr für jeden eingesparten Autokilometer, 500 Gulden (450 DM) pro umgestiegenen Mitarbeiter oder 5.000 Gulden (4.500 DM) pro Auto weniger auf der Straße. Ein direkter Nutzen entsteht u.a. durch substanzielle Einsparungen durch nicht mehr benötigte Parkplätze.

Um einen Mitarbeiter auf den ÖV zu bringen, wurden durchschnittlich 740 Gulden (660 DM) benötigt - etwa das Dreifache wie für einen Radfahrer (275 Gulden - 250 DM). Inzwischen fahren einige der beteiligten Mitarbeiter auch privat weniger Auto, manche haben ihr Auto abgeschafft, und viele sparen jetzt Geld.

Artikel: "Der Verkehrsplan des Ministeriums für Verkehr und Wasserwirtschaft in Den Haag", von Marien G. Bakker, ins dt. übersetzt von Friedrich Kreidt, in: Verkehrszeichen 2/1994, S. 18-25.


Der Forschungsdienst Fahrrad des ADFC berichtete bis 1999 14-tägig über Verkehrswissenschaft und Fahrradpolitik. Vielen Dank an die Herausgeber Tilman Bracher und Mattias Doffing und an Elmar Steinbach, der die FDFs ins Internet gebracht hat.

Seit Mitte 1999 ist der Forschungsdienst Fahrrad eingestellt. Er wurde durch den Bicycle Research Report ersetzt, der beim ECF (www.ecf.com) abonniert werden kann. werden kann. European Cyclists' Federation ECF - Rue de Londres 15 (b. 3) - B-1050 Brussels - Phone: +32-2-512 98 27 - Fax: +32-2-511 52 24, e-mail: office@ecf.com


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