ADFC FDF-Archiv

ForschungsDienst Fahrrad


FDF 220 - 25.06.1994

WILHELM ANGENENDT, JALAL BADER u.a.:

VERKEHRSSICHERE ANLAGE UND GESTALTUNG VON RADWEGEN

Radwege ohne Sicherheitsgewinn - Radfahrstreifen am sichersten

Wichtigstes Ergebnis: Die Bundesanstalt für Straßenwesen hat eine Untersuchung zur Radverkehrssicherheit veröffentlicht, nach der Radfahrer auf Hauptverkehrsstraßen mit baulichen Radwegen im Mittel keineswegs sicherer sind wie auf entsprechenden Straßen mit Radverkehr auf der Fahrbahn. Nach den vorliegenden Erfahrungen sind dagegen Radfahrstreifen erheblich sicherer.

Zum Inhalt: Im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) hat das Büro für Integrierte Stadt- und Verkehrsplanung BiS die Sicherheit des Radverkehrs bei unterschiedlichen Führungsformen untersucht. Die Untersuchung umfaßt Straßen, auf denen der Radverkehr auf baulich ausgeformten Radwegen (Radwegführung), auf von der übrigen Fahrbahn abmarkierten Radfahrstreifen und auf der Fahrbahn ohne besondere Führungshilfen (Fahrbahnführung) geführt wird. Dabei wurde ermittelt, wie der Radverkehr unter den jeweiligen baulichen, verkehrlichen, betrieblichen und umfeldbezogenen Verhältnissen am günstigsten zu führen ist.

Im Rahmen des Forschungsprojekts wurden Unfallanalysen und Verkehrsverhaltensbeobachtungen für insgesamt 41 Fallbeispiele aus 12 deutschen Städten (Tab. 1) durchgeführt. Dies waren Hauptverkehrsstraßen mit überwiegend höherer Nutzungsdichte und Nutzungsvielfalt. Außerdem wurden Ergebnisse früherer Untersuchungen nochmals ausgewertet. Als wichtigste Kenngröße wurde die Unfallrate (Unfälle mit Radfahrerbeteiligung / Million Radfahrkilometer) ermittelt.

Die Unfallraten sind bei Radwegführung und Fahrbahnführung etwa gleich hoch (10,0 bzw. 10,1 U / Mio Rad-km) (Bild 43). Läßt man die reinen Sachschäden aus, so schneiden Radwege sogar deutlich ungünstiger ab als Fahrbahnführung. Deutlich weniger Unfälle (5,7 U / Mio Rad-km) weisen Radfahrer auf Straßen mit Radfahrstreifen auf.

Bei Radwegführung kommt es zu etwa gleichvielen Unfällen auf Strecke und an Knoten, bei Fahrbahnführung häufiger zu Streckenunfällen. Ein Zusammenhang zwischen den ermittelten Unfallraten und der Stärke des Kfz-Verkehrs ist bei den untersuchten Fallbeispielen nicht vorhanden (Bild 44). Das Unfallgeschehen wird im wesentlichen von anderen Wirkungsgrößen bestimmt.

Eine Aufgliederung nach Unfalltypen (Bild 45) zeigt, daß bei Radwegführung alle Typengruppen ziemlich gleichmäßig auftreten, während bei Fahrbahnführung Unfälle mit dem ruhenden Verkehr deutlich überwiegen. Besonders konfliktträchtig sind Straßen mit geringen Trennstreifen-, Geh- und Radwegbreiten bei einem gleichzeitig hohen Nutzungsdruck durch den Fußgängerverkehr.

Die Geschwindigkeit des Kfz-Verkehrs und der Seitenabstand beim Überholen sind bei Fahrbahnführung der Radfahrer besonders wichtig, um Interaktionen zwischen Radfahrern und Kraftfahrern zu vermeiden. Viele Autos sind zu schnell: ein Teil der gemessenen "Interaktionsgeschwindigkeiten" ist "unangemessen hoch". Entscheidenden Einfluß auf den Seitenabstand hat die Breite des benutzten Fahrstreifens. Der Seitenabstand zwischen überholenden Kraftfahrzeugen und Radfahrern wird erst bei nutzbaren Fahrbahnbreiten von 5,0 m bzw. 6,0 m ausreichend hoch. Besonders geringe Seitenabstände wurden auf den vom Kfz-Verkehr stärker belasteten Straßen mit Fahrstreifenbreiten im Bereich von etwa 3,25 m bis 3,50 m festgestellt.

Die ausgewerteten Unfalldaten belegen, daß die meisten Radfahrerunfälle von den Unfallgegnern verursacht wurden, und nicht von den Radfahrern selbst. Wo Radwege vorhanden sind, werden sie meistens benutzt: 88% der Radfahrer nutzen rechts liegende Radwege, 30% der Nichtbenutzungen waren Überholvorgänge (Radweg zu schmal). Bei Fahrbahnführung kommen Radfahrer im Durchschnitt schneller voran (18,2 km/h) als auf Radwegen (17,7 km/h).

Forschungsbericht: "Verkehrssichere Anlage und Gestaltung von Radwegen" von Wilhelm Angenendt, Jalal Bader, Thorsten Butz, Barbara Cieslik, Werner Draeger, Harald Friese, Dorotheè Klöckner, Margit Lenssen, Markus Wilken, alle Büro für Integrierte Stadt- und Verkehrsplanung; Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Verkehrstechnik Heft V9, Bergisch-Gladbach 1993, ISSN 0943-9331, ISBN 3-89429-384-5.

Anschrift: BIS Büro für integrierte Stadt- und Verkehrsplanung, Colmantstr. 5., 53115 Bonn, Tel 0228/697401; Fax. 0228/697451; Bundesanstalt für Straßenwesen, Brüderstr. 53, 51427 Bergisch-Gladbach, Tel. 02204-43-0; Fax. 00204-43 832.

FDF220 vom 25.6.94


Der Forschungsdienst Fahrrad des ADFC berichtete bis 1999 14-tägig über Verkehrswissenschaft und Fahrradpolitik. Vielen Dank an die Herausgeber Tilman Bracher und Mattias Doffing und an Elmar Steinbach, der die FDFs ins Internet gebracht hat.

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