ADFC FDF-Archiv

ForschungsDienst Fahrrad


FDF 218 - 28.05.1994

VOLKER BRIESE:

GESCHICHTE DER RADFAHRWEGE

Radfahrwege für die Entwicklung des Kraftverkehrs

Wichtigstes Ergebnis: Die ersten Radfahrwege Anfang des Jahrhunderts wurden für den Komfort der Radfahrer gebaut; seit Ende der zwanziger Jahre wurden Radwege als Voraussetzung für die Entwicklung des Kraftverkehrs gefordert und gefördert. Erst seit den dreißiger Jahren werden Radfahrer gezwungen, angeblich zu ihrer Sicherheit Radwege zu benutzen.

Zum Inhalt: Volker Briese hat die seit 1886 bis heute erscheinende Branchenzeitschrift "RadMarkt" ausgewertet und die Geschichte der Radfahrwege in Deutschland bis 1940 zusammengestellt. Im vergangenen Jahrhundert kam es bereits zur Forderung nach Radfahrwegen, weil die ungepflasterten oder mit großen Steinen befestigten Fahrdämme zum Radfahren denkbar ungeeignet waren.

Die ersten besonderen Wege für Radfahrer entstanden lokal ohne einheitliche Richtlinien oder staatliche Vorgaben. In Bremen, Hamburg und Lüneburg waren dies zunächst für Radfahrer verbesserte Fahrdammteile, in der Umgebung von Hannover und Magdeburg Wege für den Erholungs- und Ausflugsverkehr. Gebaut wurden sie durch Selbsthilfeaktionen von Radfahrwegevereinen oder als städtische Anlagen.

1926/28 wurde die Forderung etabliert, Radfahrer durch Radfahrwege vom Fahrdamm zu verbannen. Die erste "Bibel" des Radfahrwegebaus stammt aus dem Jahr 1926 vom Magdeburger Stadtbaurat Dr. Henneking: "Der Radfahrverkehr. Seine volkswirtschaftliche Bedeutung und die Anlage von Radfahrwegen". 1927 entstanden dann "Richtlinien für die Schaffung von Radfahrwegen" der Studiengesellschaft für Automobilstraßenbau. Seit dieser Zeit wird in Deutschland, nicht dagegen z.B. in England, der Radwegebau intensiviert, damit der Radfahrer endlich "von der Straße" kommt.

In der NS-Zeit wurde der Radwegebau in die Regierungs- und Parteipropaganda auch als wichtige Voraussetzung für die Förderung des Kraftverkehrs integriert. Das Nationalsozialistische Kraftfahrer-Korps (NSKK) und Der Deutsche Automobil-Club (DDAC) unterstützen den Radwegebau.

In der am 1.10.1934 eingeführten "Reichs-Straßen-Verkehrs-Ordnung" (RStVO) wird Radfahrern, Reitern und Fußgängern das Recht zur Straßenbenutzung erheblich beschränkt: "Ist eine Straße für einzelne Arten des Verkehrs bestimmt (Fußweg, Fahrradweg, Reitweg) so ist dieser Verkehr auf den ihm zugewiesenen Straßenteil beschränkt."

Die Radwegebenutzungspflicht wurde zum zentralen Disziplinierungsinstrument gegenüber den Radfahrern, obwohl diese in den dreißiger Jahren mit einem Verhältnis von 20:3 noch eine deutliche Mehrheit gegenüber den Kraftfahrern hatten. Die intensive Propaganda der Radwegebenutzungspflicht ab 1934 läßt darauf schließen, daß die Radfahrer mit den inzwischen angelegten schmalen Radwegen mit billigen, leicht zerstörbaren Oberflächen nicht zufrieden waren und stattdessen lieber den Fahrdamm benutzten. Während die Reichsautobahnen als "Straßen Adolf Hitlers" gefeiert wurden, wurden Radfahrwege die "Straßen des kleinen Mannes" genannt. "Zeigen wir [zur kommenden Olympiade 1936] dem staunenden Ausländer einen neuen Beweis für ein aufstrebendes Deutschland, in dem der Kraftfahrer nicht nur auf den Autobahnen, sondern auf allen Straßen durch den Radfahrer freie, sichere Bahn findet."

V. Briese: "Radwegebau vor dem Zweiten Weltkrieg. Zurück in die Zukunft", in: Radmarkt 5/1993. "Radwege. Opium für Radfahrer", in Radfahren 1/1994. "Radwege. Automobilverbände bestimmen Fahrradpolitik", in: Radfahren 2/1994.

Anschrift: Prof. Dr. Volker Briese, Elser Kirchstr. 39, 33106 Paderborn; Tel. 0521-69450.

FDF 218 vom 28.5.94


Der Forschungsdienst Fahrrad des ADFC berichtete bis 1999 14-tägig über Verkehrswissenschaft und Fahrradpolitik. Vielen Dank an die Herausgeber Tilman Bracher und Mattias Doffing und an Elmar Steinbach, der die FDFs ins Internet gebracht hat.

Seit Mitte 1999 ist der Forschungsdienst Fahrrad eingestellt. Er wurde durch den Bicycle Research Report ersetzt, der beim ECF (www.ecf.com) abonniert werden kann. werden kann. European Cyclists' Federation ECF - Rue de Londres 15 (b. 3) - B-1050 Brussels - Phone: +32-2-512 98 27 - Fax: +32-2-511 52 24, e-mail: office@ecf.com


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