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ForschungsDienst Fahrrad


FDF 199 - 21.08.1993

SETTY PENDAKUR: STADTVERKEHR IN CHINA: TRENDS UND AUFGABEN

Öffentliche Verkehrsmittel können Fahrradverkehr nicht ersetzen Chinas Regierung bezuschußt "mit dem Fahrrad zur Arbeit"

Wichtigstes Ergebnis: Obwohl es auch Pläne gibt, in China Stadt- und Schnellbahnen zu bauen und den Fahrradverkehr zu ersetzen, muß das Fahrrad im chinesischen Stadtverkehr das am meisten genutzte Verkehrsmittel bleiben. Denn motorisierte Verkehrsmittel sind zu teuer und ihre Bauzeit ist zu lang.

Zum Inhalt: Nach Prof. Petty Sendakur, der für die amerikanische Forschungsgesellschaft für Verkehr (Transportation Research Board) einen Sammelband mit Beiträgen zum nichtmotorisierten Verkehr zusammengestellt hat, ist der Fahrradverkehr für China lebenswichtig.

In China wächst die Bevölkerung von 1,1 Milliarden Einwohner (1990) auf 1,3 Milliarden (2000). Statt wie zur Zeit 33% werden bereits im Jahr 2000 47% der Chinesen in Städten wohnen. Dadurch werden die großen Umweltprobleme der Städte weiter zunehmen.

In der Hauptstadt Beijing besaßen 1986 84% der Haushalte ein oder mehrere Fahrräder. 45% der Einwohner Beijings fahren regelmäßig mit einem Fahrrad, und 78% der täglichen Personenfahrten sind Radfahrten. Überall gibt es Fahrradreparaturläden. An zahlreichen Vermietstationen gibt es Fahrräder für 0,2 bis 0,3 yuan pro Stunde und 0,3 bis 0,5 yuan pro Tag.

Mit dem Fahrrad werden in China Reisegeschwindigkeiten von 13 - 18 km/h in der Frühspitze und 10-13 km/h in der Nachmittagsspitze erreicht. Die Reiseweiten betragen im Durchschnitt 9 km für Männer, 5 km für Frauen.

Daten zur Verkehrsmittelwahl in den großen chinesischen Städten zeigen, daß die Chinesen die meisten ihrer Wege zu Fuß unternehmen. Aber das Fahrrad ist das am häufigsten genutzte Verkehrsmittel (vgl. Abb.).

Alle großen chinesischen Städte planen Stadt- oder Schnellbahnsysteme, jedoch nur einzelne sind im Bau. Die bestehenden Bussysteme sind unzureichend und uneffizient, und die Menschen fahren Fahrrad, weil Fahrräder wirtschaftlich und wirkungsvoll sind.

Das normale chinesische Haushaltseinkommen erlaubt großen Teilen der Bevölkerung den Erwerb von Fahrrädern, reicht jedoch nicht für motorisierte Fahrzeuge. Der mittlere Preis eines Fahrrads lag 1990 bei 200 bis 400 yuan, für ein Motorrad bei 3.000 bis 15.000 yuan und für ein Auto bei 80.000 bis 200.000 yuan. Das mittlere Monatseinkommen eines Haushalts lag 1989 bei 397 yuan, wovon 41 yuan gespart wurden.

Weil das Platzangebot der öffentlichen Verkehrsmittel nicht ausreichend war und freie Plätze in Bussen geschaffen werden sollten, wurde 1978 ein besonderer Anreiz zum Umsteigen vom Bus aufs Fahrrad eingerichtet. Die damalige Steuer für die Registrierung von Fahrrädern wurde ersetzt, und ein Zuschuß für alle, die mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren, zwischen 2 und 4 yuan pro Monat eingeführt.

Inzwischen gibt es bei der chinesischen Regierung auch Pläne, den Fahrradverkehr auf stark belasteten Strecken zu reduzieren, einzuschränken oder abzuschaffen. Die weltweiten Erfahrungen mit Stadt- und Schnellbahnsystemen zeigen jedoch, so Prof. Sendakur, daß diese des Fahrradverkehr nicht ersetzen können, weil sie zu teuer sind, lange Bauzeiten erfordern und deshalb für China und andere Staaten mit niedrigem Einkommen nicht wirksam genug sind.

Aus Kostengründen und wegen Stauproblemen und Umweltgründen ist der nichtmotorisierte Verkehr für China und andere Länder weltweit lebenswichtig. Deshalb sollte der nichtmotorisierte Verkehr besonders gefördert werden. China sollte eine Verkehrspolitik betreiben, die unnötige Wege vermeidet, Wegelängen reduziert, die Energie-Effizienz erhöht und das vorhandene umweltfreundliche Verkehrssystem erhält.

Beitrag: "Urban Transportation in China. Trends and Issues" (engl.) von V. Petty Sendakur, in: Nonmotorized Transportation, Transportation Research Record No. 1372, Washington 1992. ISBN 0-309-05413-3, Preis $ 22.

Anschriften: V. Setty Pendakur, School of Community and Regional Planning, University of British Columbia, 6333 Memorial Road, Vancouver, British Columbia, Canada V6T 1Z2. Transportation Research Board, National Research Council, 2101 Constitution Avenü, N.W., Washington, D.C. 20418, Tel. +1-202-334-3214.


Der Forschungsdienst Fahrrad des ADFC berichtete bis 1999 14-tägig über Verkehrswissenschaft und Fahrradpolitik. Vielen Dank an die Herausgeber Tilman Bracher und Mattias Doffing und an Elmar Steinbach, der die FDFs ins Internet gebracht hat.

Seit Mitte 1999 ist der Forschungsdienst Fahrrad eingestellt. Er wurde durch den Bicycle Research Report ersetzt, der beim ECF (www.ecf.com) abonniert werden kann. werden kann. European Cyclists' Federation ECF - Rue de Londres 15 (b. 3) - B-1050 Brussels - Phone: +32-2-512 98 27 - Fax: +32-2-511 52 24, e-mail: office@ecf.com


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