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ForschungsDienst Fahrrad


FDF 198 - 07.08.1993

JÜRGEN WERLE: RADVERKEHR IN EINBAHNSTRASSEN. DAS SAARBRÜCKER MODELL

Stadt der "Rostigen Speiche" ermöglicht Radverkehr gegen Einbahnstraßen Polizeidaten bestätigen Verkehrssicherheit

Wichtigstes Ergebnis: In Saarbrücken wurden 1991/1992 etwa 90 Einbahnstraßen für den Radverkehr durch Zusatzzeichen "Radfahrer frei" in Gegenrichtung freigegeben, um den Radverkehr zu fördern. Unfall- und Konfliktuntersuchungen der Polizei bestätigen dieses Modell aus Sicht der Verkehrssicherheit. Außerdem hat das Modell auch die Fahrradnutzung positiv beeinflußt.

Zum Inhalt: Gegen Ende der siebziger Jahre waren in Saarbrücken zahlreiche Einbahnstraßen eingerichtet, um unerwünschten Durchgangsverkehr zu verdrängen. So entstanden für Radfahrer hohe Zeitverluste durch Umwegfahrten und das illegale gegenläufige Befahren von Einbahnstraßen wurde zur kaum überwachungsfähigen "Methode". Noch 1988 hatte Saarbrücken als fahrradunfreundlichste Stadt die "Rostige Speiche" des ADFC erhalten.

Um den Radverkehr zu fördern wurden auf Anregung von behördenübergreifenden Arbeitsgruppen zu Verkehrsberuhigung und Radverkehr in Saarbrücken 90 Einbahnstraßen bzw.- -abschnitte zwischen 1991 und dem Juni 1992 für den Radverkehr gegenläufig geöffnet. Die Ausweisung erfolgte als Einbahnstraße mit Zusatzzeichen 1022 StVO (Piktogramm Fahrrad mit Schriftzug Frei), ohne Abmarkierung eines Radfahrstreifens. Mit der Öffnung von Einbahnstraßen sollte der Netzwiderstand für den Radverkehr verringert und das Radverkehrssystem beschleunigt werden.

Aus Sicht der Verkehrssicherheit, so Polizeihauptkommißar Jürgen Werle in der Polizeifachzeitschrift "Polizei, Verkehr, Technik", hat sich das "Saarbrücker Modell" nach über einjährigem Bestand bewährt. Nach den begleitenden Unfall- und Konfliktuntersuchungen durch die Polizei kam es im Bereich der Maßnahmen nur zu drei leichten Unfällen, bei denen ein Radfahrer leicht verletzt wurde. Weil durch die Öffnung der Einbahnstraßen der Netzzusammenhang für den Radverkehr verbessert und kurze Wege geschaffen wurden, hatte die Maßnahme auch starke Impulswirkung auf die Fahrradnutzung.

Nach den Erfahrungen der Polizei sind die Begegnungen auf Streckenabschnitten unproblematisch, weil die "Konfliktpartner" aufeinander zufahren und sich früh" Auge in Auge" registrieren. An Knotenpunkten kommt es aber vor allem im Anpassungs-Übergangszeitraum vermehrt zu Konflikten. So geschahen die einzigen drei polizeilich registrierten Verkehrsunfälle jeweils kurz nach Einführung der Regelungen. Problemzonen sind hier besonders die Rechts-vor-Links-Vorfahrt für gegenläufigen Radverkehr. Zur Abhilfe empfehlen sich Wartelinien oder Piktogramme. Außerdem kommt es zu "Schnittstellenkonflikten" beim Verlassen der Einbahnrichtung nach links (Linkseinordnungsgebot) oder beim Einfahren (zu weit nach links driften / Einfahrradius / Sichtbeziehung / Ruhender Verkehr).

Das im Einzelfall an Knotenpunkten vorhandene Konfliktpotential kann durch deutlich angebrachte Beschilderung, Auffangradstreifen, Piktogramme oder bauliche Maßnahmen (Pforte/Schleuse) minimiert werden.

Artikel: "Radverkehr in Einbahnstraßen. Das Saarbrücker Modell" von Jürgen Werle, in: Polizei, Verkehr, Technik 4/92, S. 104-107

Autor: Polizeihauptkommißar Jürgen Werle, Umweltministerium des Saarlandes, Abt. Straßenwesen, Ref. Verkehrsökologie, Hardenbergstr. 8, D-66119 Saarbrücken, Tel. 0681 / 501-3404.


Der Forschungsdienst Fahrrad des ADFC berichtete bis 1999 14-tägig über Verkehrswissenschaft und Fahrradpolitik. Vielen Dank an die Herausgeber Tilman Bracher und Mattias Doffing und an Elmar Steinbach, der die FDFs ins Internet gebracht hat.

Seit Mitte 1999 ist der Forschungsdienst Fahrrad eingestellt. Er wurde durch den Bicycle Research Report ersetzt, der beim ECF (www.ecf.com) abonniert werden kann. werden kann. European Cyclists' Federation ECF - Rue de Londres 15 (b. 3) - B-1050 Brussels - Phone: +32-2-512 98 27 - Fax: +32-2-511 52 24, e-mail: office@ecf.com


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