ADFC FDF-Archiv

ForschungsDienst Fahrrad


FDF 173 - 15.08.1992

ARGUS (Hrsg.): VELO SECUR 90 - SICHERHEIT RUND UMS RADFAHREN

"Russisches Roulette" auf Radwegen - Radwege im Zentrum der Kritik

Wichtigstes Ergebnis: Weil die mit dem Bau von Bordsteinradwegen angestrebte Trennung der Verkehrsarten Verkehrsteilnehmer überfordert und zu Unfällen führt, werden zunehmend andere Lösungen zur Führung des Radverkehrs empfohlen. Experten verschiedener Beiträge zur Salzburger Verkehrssicherheitstagung Velo Secur waren sich darin einig, daß Radwege innerorts zur Führung des Radverkehrs vielfach ungeeignet sind und nicht benutzt werden sollten.

Zum Inhalt: Der von der Arbeitsgemeinschaft umweltfreundlicher Stadtverkehr, Wien (ARGUS) zusammengestellte Tagungsbericht mit den 46 Referaten der Salzburger Tagung "Velo Secur" gibt einen umfassenden Überblick zur Radverkehrssicherheit aus den Bereichen Verkehrsplanung, Unfallforschung, Verkehrspädagogik, Fahrradtechnik und Verkehrsrecht.

Daß verkehrspolitische Ziele alleine nicht für eine erfolgreiche Radverkehrsförderung ausreichen, belegt Heinz Kloß vom Magistrat der gastgebenden Stadt Salzburg. Dort wurde 1986 beschlossen, den Radverkehr (1982: 12%) bis 1990 auf 20% zu steigern. Das Ziel wurde aber nicht erreicht, weil die subjektiven Hauptgründe für die geringe Benutzung des Rades: "zu gefährlich" und "zu wenig Radwege" nicht beseitigt wurden. Geeignete Maßnahmen wurden unter anderem deshalb zu wenig ergriffen, so vermutet Kloß, weil an der Radverkehrsplanung drei Ämter aus unterschiedlichen politischen Ressorts beteiligt sind.

In verschiedenen Beiträgen wurde allerdings deutlich, daß viele vorhandene straßenbegleitende Radwege innerorts zur Führung des Radverkehrs prinzipiell ungeeignet und unfallträchtig sind. Oskar Balsiger vom Kanton Bern verweist darauf, daß eine perfekt konzipierte bauliche Verkehrstrennung die Verkehrsteilnehmer in stark vernetzten städtischen Systemen mit der Beachtung von drei bis vier sich kreuzenden Verkehrssystemen (Fahrstreifen, Fußwege, Velowege, Tram/Bus) deutlich überfordert.

Von Wolfgang Rauh (ARGUS Wien) vorgestellte Daten zeigen, daß Radfahrer auf dem Radweg an Kreuzungen mit einem mehr als dreimal höheren Risiko rechnen müssen und vergleicht die Radwegbenützung deshalb mit "russischem Roulette".

Auch Klaus Hinte, Leiter der Straßenverkehrsbehörde im Stadt- und Polizeiamt Bremen, belegt Radwege in seinem Beitrag "vom Radwegenetz zum Radverkehrsnetz" als Sicherheitsproblem. Er fordert, die Radwegbenutzungspflicht aufzuheben und Alternativen zu fördern, zum Beispiel Tempo 30- Zonen, verkehrsberuhigte Bereiche, Radfahrstreifen auf der Fahrbahn, Fahrradstraßen und "Radfahrzonen" (unter anderem mit für Radfahrer in Gegenrichtung freigegebenen Einbahnstraßen).

Trotz Radwegebenutzungspflicht, so Harald Stolzlechner in seinem Überblick über "Radfahrvorschriften europäischer Länder im Rechtsvergleich", muß Radverkehr in allen Ländern auch bei vorhandenen Radwegen in bestimmten Fällen die allgemeine Fahrbahn benutzen. In Österreich *müssen* mehrspurige Fahrräder und Fahrräder mit Anhänger generell auf die Fahrbahn, in Deutschland nur bei nicht ausreichender Breite des Radwegs. In der Schweiz sind Fahrräder mit Anhängern auf Radwegen *nur* dann zugelassen, wenn sie den übrigen Fahrradverkehr nicht behindern. In den Niederlanden *dürfen* Radfahrer mit Anhängern Radwege benützen, solange die Gesamtbreite von Rad oder Anhänger nicht mehr als 75 cm beträgt.

Dokumentation: "Sicherheit rund ums Radfahren". Internationale Fahrrad-Sicherheits-Tagung vom 2.-5. Mai 1990 in Salzburg. Tagungsband. Hrsg. ARGUS - Arbeitsgemeinschaft umweltfreundlicher Stadtverkehr, Wien 1991

Autoren: Dipl.-Ing. Oskar Balsiger, Tiefbauamt des Kantons Bern, Fachstelle Velo; Oberregierungsrat Klaus Hinte, Stadt- und Polizeiamt Bremen; Dipl.-Ing. Heinz Kloß, Magistrat Salzburg; Dipl.-Ing Wolfgang Rauh, ARGUS-Fahrradbüro, Wien; Univ. Prof. Dr. Harald Stolzlechner, Institut für Verfassungs- und Verwaltungsrecht, Universität Salzburg.

Bezugsquelle: ARGUS - Arbeitsgemeinschaft umweltfreundlicher Stadtverkehr. Fahrradbüro: Frankenberggasse 11, A-1040 Wien, Tel. +43-222-505 8435, Fax. +43-222-505 5719. Preis incl. Versandkosten: Österreich öS 333,-/andere Länder öS 348,- /ECF-Mitglieder öS 248,- (Argus Kto. Velo-Secur P.S.K. 7.623.662), Deutschland DM 50,-/ADFC-Mitglieder DM 35,50 (Argus Kto. Postgiroamt München 79416-802), Schweiz sfr 44,-/IG-Velo, VCS sfr 31,50 (Argus Kto. Postscheckamt St. Gallen 90-11462-5).


Der Forschungsdienst Fahrrad des ADFC berichtete bis 1999 14-tägig über Verkehrswissenschaft und Fahrradpolitik. Vielen Dank an die Herausgeber Tilman Bracher und Mattias Doffing und an Elmar Steinbach, der die FDFs ins Internet gebracht hat.

Seit Mitte 1999 ist der Forschungsdienst Fahrrad eingestellt. Er wurde durch den Bicycle Research Report ersetzt, der beim ECF (www.ecf.com) abonniert werden kann. werden kann. European Cyclists' Federation ECF - Rue de Londres 15 (b. 3) - B-1050 Brussels - Phone: +32-2-512 98 27 - Fax: +32-2-511 52 24, e-mail: office@ecf.com


Webtechnik: Heiner.Schorn@informatik.umu.se   FDF-HomePage http://www-2.informatik.umu.se/adfc/fdf/