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ForschungsDienst Fahrrad


FDF 167 - 23.05.1992

MANFRED GARBEN / REINHARD GIEHLER u.a.: LUFT- UND LÄRMBELASTUNGEN IN DER BERLINER INNENSTADT DURCH DEN KFZ- VERKEHR

Benzol- und Partikelimmissionen auf Hauptstraßen errreichen gesundheitsgefährdendes Niveau

Wichtigstes Ergebnis: Die krebserregenden Benzol- und Partikelimmissionen an den meisten Berliner Hauptverkehrsstraßen liegen so weit über den Eingreif- bzw. Grenzwerten, daß verkehrsreduzierende Maßnahmen notwendig werden. Auch werden an fast allen Hauptstraßen wegen der hohen Verkehrsbelastungen tags- und nachts die aus Lärmschutzsicht empfohlenen Orientierungswerte weit überschritten.

Zum Inhalt: In einer Untersuchung für die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz wurden für die 260 km Hauptverkehrsstraßen der Berliner Innenstadt Lärm- und Luftschadstoffbelastungen ermittelt. Eingangsdaten sind u.a. Verkehrsbelastung, Fahrzeugflotte, Emissionsfaktoren, Straßenrandbebauung, Straßenbreiten, und meteorologische Daten. Das Untersuchungsgebiet ist etwa 100 qkm groß, hat ca. 1,1 Millionen Einwohner, 777.000 Arbeitsplätze und 338.000 gemeldete PKW.

Weil für die Lärmvorsorge an Straßen keine Grenzwerte vorgeschrieben sind, wurden *Orientierungs- und Grenzwerte* in Anlehnung an die Bundesimmissionsschutzverordnung für Erholungszonen, Wohngebiete, Kern- und Mischgebiete und Gewerbegebiete definiert. Danach soll z.B. überall tags bei entspannter Sprechweise und geschlossenem Fenster gute Sprachverständlichkeit bestehen, und nachts soll in Erholungszonen und Wohngebieten auch das Schlafen bei offenem Fenster ohne wesentliche Beeinträchtigung möglich sein. Die empfohlenen *Grenzwerte* liegen zwischen 50 dB(A) (Erholungszone, Krankenhaus u.ä. nachts) und 75 dB(A) (Gewerbegebiet tags).

Die Lärmbelastung liegt auf fast allen Straßen deutlich zu hoch. So wird in rund 95% der untersuchten Straßenseiten mit Wohnnutzung der für Verkehrslärm tags empfohlene Grenzwert von 65 dB(A) überschritten. Noch häufiger wird der Nachtwert von 55 dB(A) überschritten.

Für die Luftschadstoffbelastbarkeit wurden bei Stickstoffdioxid der geltende EG-Grenzwert und für CO der nach TA Luft geltende Immissionswert angesetzt. Für Benzol- und Dieselpartikel wird der nach dem Entwurf zu $ 40, 2 Bundesimmissionsschutzgesetz vorgesehene Eingreifwert zugrundegelegt.

Die im Detail für 17 ausgewählte Straßenschluchten aufgrund der halbstündlichen Verkehrs- und Windverhältnisse eines Jahres ermittelten Luftschadstoffkonzentrationen zeigen, daß auch die *Stickstoffdioxid-Belastung* auf den meisten Hauptstraßen zu hoch liegt: auf einer Straße wird der EG-Grenzwert überschritten, der EG-Leitwert auf 14 Straßen.

Die Jahresmittelwerte der *Benzol- und Dieselpartikelimmissionen* liefern besonders erschreckende Ergebnisse: Belastungen zwei- bis dreimal so hoch wie der empfohlene Grenzwert - in hohem Maße krebserzeugend.

Ergänzende Analysen belegen, daß die errechneten Belastungen mit den an Meßstationen gemessenen Daten sehr gut übereinstimmen und daß die Verhältnisse in anderen Städten zu ähnlichen Ergebnissen führen. Sensitivitätsanalysen zeigen, daß mit fahrzeugtechnischen Maßnahmen wie Rußfilter und geregelten Katalysatoren die Einhaltung der zulässigen Grenzwerte nicht erreicht werden kann, sondern auch der Verkehr reduziert werden muß.

Untersuchung: "Kfz-Belastbarkeitsstudie der Berliner Innenstadt. Kurzfassung: Luft- und Lärmbelastung" von M. Garben u.a. Hrsg. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz Berlin, Bd. 15 'Verkehrsbelastung', Informationsreihe zur Luftreinhaltung in Berlin, 1992.

Anschriften: Dr.-Ing. Manfred Garben, Dr.-Ing. Reinhard Giehler, IVU Gesellschaft für Informatik, Verkehrs- und Umweltberatung mbH, Bundesallee 129, W-1000 Berlin 41, Tel. 030/850 006-0. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz, Lindenstraße 21-25, W-1000 Berlin 61, Tel. 030/2586-2322 (Dipl.-Ing. H. Guggenthaler).

Bezugsquelle: Kulturbuch-Verlag GmbH, Passaür Straße 4, W-1000 Berlin 30, Tel. 030/2136071. Schutzgebühr DM 12,50.


Der Forschungsdienst Fahrrad des ADFC berichtete bis 1999 14-tägig über Verkehrswissenschaft und Fahrradpolitik. Vielen Dank an die Herausgeber Tilman Bracher und Mattias Doffing und an Elmar Steinbach, der die FDFs ins Internet gebracht hat.

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