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ForschungsDienst Fahrrad


FDF 160 - 15.02.1992

MICHAEL A. REPLOGLE: DAUERHAFTE VERKEHRSKONZEPTE FUER DIE ENTWICKLUNG DER DRITTEN WELT

Fahrrad: angepaßte Verkehrstechnologie für Afrika und Asien Dritte Welt kann sich Autoverkehr nicht leisten

Wichtigstes Ergebnis: Während in asiatischen Ländern wie China, Indien und Bangladesh ein wesentli-cher Teil des Verkehrs mit pedalbetriebenen Fahrzeugen durchgeführt wird, sind Fahrräder in Afrika und Lateinamerika weitgehen unüblich. Nach neuen Erkenntnissen der Weltbank wäre das Fahrrad aber auch dort die ideale Alternative zum Motorfahrzeugverkehr, weil sich damit die für den Motorverkehr fehlenden Devisen einsparen lassen.

Zum Inhalt: Das Fahrrad hat in den verschiedenen Ländern der Dritten Welt eine höchst unterschiedliche Bedeutung. Während in den meisten afrikanischen Ländern bei weitem die meisten Wege im Personenverkehr, aber auch Gütertransporte über kürzere Strecken "zu Fuß" unternommen werden, wird in vielen Teilen Asiens ein wesentlicher Teil des Verkehrs mit Fahrrädern erledigt.

In China gibt es mehr als 270 Millionen Fahrräder, und in den Städten besitzt bereits jede zweite Person ein Fahrrad. In Indien verkehren 25mal soviel Fahrräder wie Motorfahrzeuge. Im Straßenverkehr in Dhaka (Bangladesh) sind pedalgetriebene trishaws die dominierenden Verkehrsmittel, und auch in Thailand, Indonesien und Pakistan haben Fahrräder und Dreiräder eine ähnlich hohe Bedeutung. In weiten Teilen Lateinamerikas, den karibischen Inseln und Afrikas dagegen sind Fahrräder und Dreiräder völlig unüblich.

Die Ursachen dieser unterschiedlichen Entwicklung liegen auf vielen Ebenen: Investitionen, Zuschüsse, Steuern und Tarife, Infrastruktur, Vorschriften, Topographie, Klima, Kultur, Gewohnheiten, Einkommenshöhe- und - verteilung und die Art der Flächennutzung. Viele dieser Faktoren werden von Technokraten und Eliten bestimmt, die Investitionen, Regierung und Politik verantworten, aufs Auto setzen und den Radverkehr nicht ernst nehmen. Viele Länder der Dritten Welt haben inzwischen sogar Maßnahmen gegen den Fahrrad- und Fahrradrikschaverkehr eingeleitet.

Schuld daran war nicht zuletzt die Weltbank. Die Weltbank finanziert mit Mitteln der reichen Länder Verkehrsprojekte in der Dritten Welt. In einer Stellungnahme von 1986 wurde der Fahrrad- und Fußgängerverkehr sogar als Ursache der vielen Staus bezeichnet.

Die Verbreitung von Fahrradtechnologien zwischen Asien und Ländern mit niedri-ger Fahrradnutzung könnte die Chancen verbessern, das Radfahren zu fördern. Das Fahrrad bitet speziell für Länder eine Verkehrslösung, wo große Bevölkerungsteilemit niedrigstem Einkommen leben und keine adäquaten ÖPNV-Systeme vorhanden sind, und für Länder mit großen Schuldenproblemen, die meistens durch Öl und Motorfahrzeugimporte entstanden.

Ein jüngerer Weltbank-Projektbericht aus Ghana hat dies kürzlich bestätigt. Der Straßenbau und die Anschaffung von Lastwagen bieten keine wirtschaftlich trag-fähige Lösung für das Erreichen der Dörfer. Stattdessen sollten einfach befe-stigte Straßen gebaut und der nichtmotorisierte Fahrzeugverkehr gefördert wer-den. Das Fahrrad, so die Weltbankstudie, biete als platzsparendes, noch am ehesten finanzierbares und umweltfreundliches Verkehrsmittel eine angepaßte Lösung für die Verkehrsprobleme der Dritten Welt.

Bericht: "Sustainable Transportation Strategies for Third-World Development" von Michael A. Replogle, in Nonmotorized Transportation 1991, Hg. TRB, Transportation Research Record No. 1294, Washington, DC.

Anschriften: TRB Transportation Research Board, National Research Council, Washington DC, USA, Michael A. Replogle, Institute for Transportation Development Policy, 8407 Cedar Street, Silver Spring, Md. 20910, USA.


Der Forschungsdienst Fahrrad des ADFC berichtete bis 1999 14-tägig über Verkehrswissenschaft und Fahrradpolitik. Vielen Dank an die Herausgeber Tilman Bracher und Mattias Doffing und an Elmar Steinbach, der die FDFs ins Internet gebracht hat.

Seit Mitte 1999 ist der Forschungsdienst Fahrrad eingestellt. Er wurde durch den Bicycle Research Report ersetzt, der beim ECF (www.ecf.com) abonniert werden kann. werden kann. European Cyclists' Federation ECF - Rue de Londres 15 (b. 3) - B-1050 Brussels - Phone: +32-2-512 98 27 - Fax: +32-2-511 52 24, e-mail: office@ecf.com


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