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ForschungsDienst Fahrrad


FDF 152 - 19.10.1991

BERND HERZOG-SCHLAGK: VERKEHRTE KINDER?

90% der Autofahrer ignorieren Verkehrsregel zum Schutz von Kindern 43.000 Kinder werden jährlich überfahren

Wichtigstes Ergebnis: Gegen den Trend, daß jährlich in der Bundesrepublik Deutschland im Verkehr fast 43.000 Kinder verunglücken und die Tendenz immer weiter steigt, sollen Hauptverkehrsstraßen verkehrsberuhigt und Bußgelder für nicht angepaßte Geschwindigkeit und Falschparken drastisch erhöht werden.

Zum Inhalt: Die von Bernd Herzog-Schlagk vom Fußgängerschutzverein FUSS e.V. mit zahlreichen Quellen bearbeitete Dokumentation belegt, daß die Verkehrssicherheit für Kinder in der Bundesrepublik Deutschland (alte Länder) weiter abnimmt. 1988 verunglückten im Straßenverkehr 42.725 Kinder, davon rund 67% als Fußgänger oder Radfahrer. In keinem anderen Land Europas liegt das Risiko von Kindern, im Straßenverkehr zu verunglücken, so hoch.

Der Einwand, die Zahl der Kinderunfälle wäre in den vergangenen Jahren geringer geworden, geht am Problem vorbei, weil es immer weniger Kinder gibt, und diese immer weniger auf der Straße sind. Wenn man aber berücksichtigt, daß die 10 - 17jährigen Jugendlichen 1984 etwa 10% weniger Zeit im Verkehr verbrachten als 1975, hat das Unfallrisiko von Kindern in Wirklichkeit um etwa ein Sechstel zugenommen.

Obwohl sich nach der Straßenverkehrsordnung (3 Abs. 2a) "Fahrzeugführer ... gegenüber Kindern, Hilfsbedürftigen und älteren Menschen, insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft, so verhalten [müssen], daß [deren] Gefährdung ausgeschlossen ist", hatten 90% der Autofahrer ihr Fahrverhalten zweieinhalb Jahre nach Einführung dieser Verkehrsregel (1980) nicht verändert.

Nach einem Städtevergleich des Deutschen Instituts für Urbanistik kommt es je nach örtlichen Verkehrsverhältnissen zu erheblich unterschiedlichen bei den Unfallzahlen. Z.B. gibt es in Göttingen etwa halb so viele Kinderunfälle wie in Osnabrück. In Göttingen sind siebenmal soviele Zebrastreifen und 1,6mal soviele "Fahrbahnüberquerungshilfen" für Fußgänger eingerichtet. Radfahrer sind bei einem um 45% höheren Radverkehrsanteil in Göttingen auf den Straßen präsenter, und nur halbsoviele Hauptverkehrsstraßen-Kilometer liegen dort in von Wohn- und Mischgebieten.

Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen zur drastischen Verminderung der Kinder-Verkehrsunfälle und für kind- und menschengerechte Städte und Dörfer gehören deutlich höhere Bußgelder bei nicht angepaßter Geschwindigkeit, *Restwegschreiber* für Kraftfahrzeuge, und in Kraftfahrzeugen eingebaute *Tempobegrenzer*. Außerdem sollten wieder weit verbreitet Fußgängerüberwege angelegt werden. Vor allem an Hauptverkehrsstraßen, wo die meisten Kinder verunglücken, werden Gehweg-Nasen, Mittelinseln, Belagwechsel quer zur Fahrbahn und andere geschwindigkeitsdämpfende Maßnahmen empfohlen.

Zusammenstellung: "Verkehrte Kinder?", Dokumentation mit umfangreichem Quellenverzeichnis, von Bernd Herzog-Schlagk. Hg. Fußgängerschutzverein FUSS e.V. und Arbeitskreis Verkehr und Umwelt. 1. Aufl., Berlin 1991. ISBN 3-922504-24- 8.

Bezugsquelle/Autor: Arbeitskreis Verkehr und Umwelt, Kirchstraße 4, W-1000 Berlin 21, Tel. 030/392 6146. Preis 4 DM, einschl. Porto und Verpackung 7 DM.


Der Forschungsdienst Fahrrad des ADFC berichtete bis 1999 14-tägig über Verkehrswissenschaft und Fahrradpolitik. Vielen Dank an die Herausgeber Tilman Bracher und Mattias Doffing und an Elmar Steinbach, der die FDFs ins Internet gebracht hat.

Seit Mitte 1999 ist der Forschungsdienst Fahrrad eingestellt. Er wurde durch den Bicycle Research Report ersetzt, der beim ECF (www.ecf.com) abonniert werden kann. werden kann. European Cyclists' Federation ECF - Rue de Londres 15 (b. 3) - B-1050 Brussels - Phone: +32-2-512 98 27 - Fax: +32-2-511 52 24, e-mail: office@ecf.com


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