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ForschungsDienst Fahrrad


FDF 144 - 29.06.1991

WERNER BRÖG / ERHARD ERL: VERHALTENSBEINFLUSSUNG NACH DEM PUBLIC AWARENESS-KONZEPT

"Meinungsbildner" blockieren Bürgermehrheit fürs Fahrrad

Wichtigstes Ergebnis: Eine große Mehrheit der Bürger(innen) wünscht Vorrang für Fahrradförderung. Im Gegensatz dazu steht allerdings die Meinung der in verschiedenen Städten befragten "Meinungsbildner". Sie glauben, daß die meisten Bürger wie sie selbst der Meinung sind, daß Fahrradförderung nur betrieben werden sollte, soweit es im Falle eines Konflikts in der Verkehrsplanung nicht zu Nachteilen für den Pkw-Verkehr kommen kann.

Zum Inhalt: Die meisten Bürger von 17 vom Münchner Institut Socialdata befragten in- und ausländischen Städten wünschen Vorrang fürs Fahrrad. Im niederländischen Delft und in Berlin würden sich mehr als 90% der Bürger im Falle eines Konflikts in der Verkehrsplanung für den Vorzug des Fahrrads entscheiden, selbst wenn dabei etwa Nachteile für Pkw entstehen würden (Abb.1). In den am nordrhein-westfälischen Förderprogramm für fahrradfreundliche Städte beteiligten Städten Troisdorf, Gladbeck und Lünen sind es 77% der Bürger, aber nur 33% der örtlichen "Meinungsbildner". Und immerhin noch 69% der Bürger sind dafür, den ÖPNV gegenüber dem Auto zu bevorzugen.

Die Befragung zeigt, daß "Meinungsbildner" eine weitgehend falsche Vorstellung davon haben, was die Bürger denken (Abb.2-3). Fünf von sechs Bürger(innen) betrachten das Fahrrad als umweltfreundliche förderungswürdige Alternative im Stadtverkehr. Von den Meinungsbildnern wird der Bevölkerung diese positive Würdigung des Fahrrads nicht zugetraut (Abb.4). Ähnliche Fehleinschätzungen zeigen Meinungsbildner über die Maßnahmen "Mehr Parkplätze in der Innenstadt" (55% der Bürger dagegen, Abb.5) und "Einsparungen beim Radwegbau und Ver-wendung dieser Mittel für den Straßenbau" (75% dagegen, Abb.6).

Übereinstimmend dagegen meinen acht von zehn Bürgern und fast so viele Meinungsbildner daß es gefährlich ist, in ihrer Stadt mit dem Fahrrad zu fahren (Abb.7). Gemeinsam unterschätzen Bürger(innen) und Meinungsbildner den Anteil des nichtmotorisierten Verkehrs. Der motorisierte Individualverkehr und der ÖPNV hingegen werden deutlich überschätzt (Abb.8).

Weil subjektive Faktoren (das "kommunale Klima") für die Fahrradnutzung mindestens gleich wichtig sind wie die Fahrradinfrastruktur ("systembedingteFaktoren"), können Verhaltensänderungen durch Maßnahmen, die auf Einschätzung und subjektive Wahrnehmungen einwirken, gleichermaßen aktiviert werden wie durch Investitionen im Angebotsbereich. Folglich gehört Öffentlichkeitsarbeit als integraler Bestandteil zu Verkehrspolitik und -planung. Empfohlen wird, dazu die akzeptierten positiven Werte des Fahrrads (umwelt-freundlich, innenstadtentlastend, stadtverkehrsgerecht - Abb.9) als Argumente ebenso zu nutzen wie die negativen Folgen des PKW-Verkehrs und die falschen Meinungen von Meinungsbildnern ins Bewußtsein zu bringen.

Vortragspapier: "Verhaltensbeeinflussung nach dem Public Awareneß-Konzept - dargestellt am Beispiel der Fahrrad-Förderung" von Werner Brög und Erhard Erl. Paper für das Seminar "Verkehrsbedingte Umweltbelastungen" im Rahmen der UTECH 91 in Berlin.

Autoren/Anschrift: Werner Brög; Dipl.-Geogr. Erhard Erl, Socialdata, Institut für Verkehrs- und Infrastrukturforschung GmbH, Hans Grässel-Weg 1, 8000 München 70, Tel. 089/7108-1; Fax 089/716420.


Der Forschungsdienst Fahrrad des ADFC berichtete bis 1999 14-tägig über Verkehrswissenschaft und Fahrradpolitik. Vielen Dank an die Herausgeber Tilman Bracher und Mattias Doffing und an Elmar Steinbach, der die FDFs ins Internet gebracht hat.

Seit Mitte 1999 ist der Forschungsdienst Fahrrad eingestellt. Er wurde durch den Bicycle Research Report ersetzt, der beim ECF (www.ecf.com) abonniert werden kann. werden kann. European Cyclists' Federation ECF - Rue de Londres 15 (b. 3) - B-1050 Brussels - Phone: +32-2-512 98 27 - Fax: +32-2-511 52 24, e-mail: office@ecf.com


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